Kater mit Karma
Leben gehabt – in vieler Hinsicht erfüllt und schön. Ich hatte Gelegenheit gehabt, zu lieben, vier wunderbare Kinder auf die Welt zu bringen und Freude und Leid – und Katzen – in all ihrer Vielschichtigkeit zu erleben.
Allerdings würde meine Organe keiner kaufen wollen und abgesehen von einigen Tonnen Moskitoschutz hatte ich nichts dabei, das zu rauben sich gelohnt hätte. Vermutlich war ich sicher.
Vor uns tauchten einladende gelbe Lichter auf. Wir waren zurück in der Zivilisation. Gleich darauf hielten wir vor dem Eingang des Hotels. Für den Fall, dass ich es mit dem Nirwana verwechseln sollte, suchte ein Wachmann das Auto oben und unten mit einem Metalldetektor ab. Dann winkte er uns durch, wir holperten durch ein paar Schlaglöcher und hielten vor dem Eingang zum Foyer.
Zwei Herren hießen mich herzlich willkommen. Omar Sharifs Zwillingsbruder schnappte sich mein Gepäck, während sein Kollege mich darüber informierte, dass man einen Upgrade vorgenommen und mich in einer Suite untergebracht habe. Er begleitete mich zu einer Flucht von Zimmern, von denen jedes die Größe eines kleinen Tennisplatzes hatte. Das Bett bot genug Platz für Hugh Hefner und mindestens sechs Playboy-Häschen. Die Vorhänge ergossen sich über den Boden und hätten ebenso gut in ein Opernhaus gepasst. Das Empire lebte.
Nach ein paar Stunden unruhigen Schlafs wanderte ich von meinem Bett zum Fenster und zog die Vorhänge auf. Der Indische Ozean begrüßte mich mit einem silbernen, hitzeflimmernden Glitzern. Ein solch legendäres Meer hatte ich mir immer blau vorgestellt. Der flache palmengesäumte Strand schien bis zum Horizont zu reichen. Weit draußen tuckerte ein Fischerboot übers Wasser. Unter meinem Fenster reinigten zwei Männer in weißen Uniformen einen türkis leuchtenden Swimmingpool. Dieses Hotel und das Land, das hinter seinen hohen Mauern lag, waren zwei verschiedene Welten.
Ein Piepton meldete eine SMS von Lydia. Sie würden bald da sein.
In der Hoffnung, einen guten Eindruck zu machen, zog ich meine weißesten Sachen an und wartete nervös im Foyer. Während eine Prozession von Taxis und Limousinen an den Eingangstüren vorbeiglitt, bereitete ich mich innerlich auf das Wiedersehen mit Lydia vor.
Ich hoffte, dass sie nicht zu dünn war – obwohl ich klug genug sein würde, nichts zu sagen. Und wenn sie in Nonnengewändern erschien, würde ich nicht überreagieren. Das war ihre Welt, oder zumindest eine, von der sie Teil sein wollte. Mütterliche Autorität, was immer das in dieser Phase unseres Lebens sein mochte, hatte hier nichts verloren. Ich war nur eine Besucherin.
Im Foyer brach Hektik aus, als draußen ein verbeulter Transporter hielt. Eingedellt und mit einer dicken Staubschicht überzogen, entsprach dieses Gefährt ganz bestimmt nicht den Standards des Hotels. Als die Wachleute losspurteten, dachte ich deshalb, dass sie es so schnell wie möglich verscheuchen würden.
Statt zu ihren Waffen zu greifen, strahlten sie zu meiner Überraschung jedoch wie kleine Kinder, klatschten in die Hände und verbeugten sich tief.
Ein Portier streckte die Hand nach dem Griff der Beifahrertür aus, als befände er sich an einer königlichen Kutsche. Hinter den verstaubten Autofenstern sah ich etwas Rotbraunes aufblitzen. Gleich darauf stieg Lydias Lehrer aus, mit fließenden Bewegungen, perfektem Timing und dem Lächeln eines Rockstars.
Der Empfangschef verließ seinen Posten, fiel vor dem Mönch auf die Knie und presste den Saum des rotbraunen Gewands an die Lippen. Ich hatte den Ausdruck »er küsste den Saum seines Gewands« zwar schon mal gehört, ihn aber noch nie in die Tat umgesetzt gesehen.
Der Mönch nahm die Huldigungen würdevoll entgegen. In seinen Gewändern war er eine beeindruckende Erscheinung, und das hier war genau die richtige Kulisse für ihn. In Australien hatte er einige wenige Anhänger, die ihn verehrten, aber im Übrigen wurde er ignoriert oder als komischer Kauz betrachtet, Vertreter einer andersartigen Religion. Hier in Sri Lanka war der Mönch Teil eines Glaubenssystems, das die geistige Nahrung einer Mehrheit der Bevölkerung war. Plötzlich verstand ich, warum er bei seinem Besuch in unserem Haus eine Art von Ehrerbietung erwartet hatte, die ich ihm nicht hatte erweisen können. Man begegnete ihm wie einem Halbgott, während er durch das Foyer schritt und allen, die sich vor ihm verbeugten, gütig zulächelte.
Auch wenn er in der Vergangenheit gemischte Gefühle in mir
Weitere Kostenlose Bücher