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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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sahen. Andere gingen weiter ihren Beschäftigungen nach – einkaufen, plaudern oder Lasten auf dem Kopf herumtragen. Wir fuhren an einem hübschen jungen Mann ohne Beine in einem Rollstuhl vorbei, an Soldaten mit nachlässig über die Schulter gehängten Maschinengewehren, an kricketspielenden Jungen, an Mädchen, die mit leuchtend bunten Schirmen an einem Eisenbahngleis entlangliefen, an einem weißen Reiher in einem Fluss. Ein Mann mit einer Kiste auf dem Kopf lächelte uns durch das Fenster an und wollte uns mit Glitzersteinen besetzte Abendschuhe verkaufen.
    Die Straßen von Sri Lanka sind nichts für schwache Nerven. Meist zweispurig, haben sie in der Mitte eine unsichtbare dritte Spur, die strittiges Terrain ist. Fahrzeuge aus beiden Richtungen beanspruchten sie jeweils mit der größtmöglichen Geschwindigkeit und Aggressivität, die fahrbarer Untersatz und Zustand der Straße zulassen, für sich. Laut hupend kommen die Fahrer angebraust und fordern jeden zu einem Duell heraus. Nicht einmal einem Elefantenbullen auf der Ladefläche eines Lastwagens wird Vorfahrt gewährt. Das Ganze ist eine Mischung aus Täuschungsmanövern und sekundenschnellen Verhandlungen – ein reines Wunder, dass es nicht alle zwei Minuten zu einem Frontalzusammenstoß kommt.
    Ohne Sicherheitsgurt auf der Rückbank dieses Transporters befand ich mich vermutlich in größerer Lebensgefahr als jemals zuvor. Aber wozu sich Sorgen machen. Mit einem Mönch und zwei Nonnen an Bord standen unsere Chancen bestimmt gut.
    Auf halbem Weg einen Hügel hinauf hielten wir vor einer Bank, damit ich Geld zur Bezahlung des Miettransporters ziehen konnte. Als der Fahrer den Motor wieder anlassen wollte, gab der keinen Mucks von sich. Hilfsbereite Wachleute der Bank schoben uns bergaufwärts an – Schwerstarbeit und weit über jedes Pflichtgefühl hinausgehend. Widerstrebend sprang der Motor an. Schwitzend und triumphierend winkten uns die Wachleute hinterher.
    Dörfer wichen Reisfeldern, Ananasplantagen und Bananenstauden. In alle erdenklichen Grünschattierungen getaucht, von düster bis grell, zog die Landschaft an uns vorbei. Als sich die Straße in steilen Kurven nach Kandy hinaufzuwinden begann, zog sich die ältere Nonne ihre Kapuze über den Kopf und schlief bald darauf wie ein Murmeltier. Der kahle Schädel der anderen glänzte in der Hitze, die inzwischen in unserem Transporter herrschte. Die Klimaanlage hatte den Geist aufgegeben. Es war zwecklos, die Fenster aufzumachen. Drinnen wie draußen war die Luft gleichermaßen heiß und staubig.
    Wir fuhren an Bäumen mit Blättern so groß wie Suppenteller vorbei, an einem Lastwagenfriedhof und an einem Schrein, in dem Buddha eine pulsierende Neonaura um sich verbreitete. Trotz der Hitze nahm mich die bunte Lebendigkeit gefangen. Die Werbeplakate am Straßenrand waren auf wohltuende Weise frei von den halbpornographischen Bildern, an die wir uns im Westen inzwischen gewöhnt haben. Frauen wurden in dezenter Kleidung und nicht als Klappergestelle gezeigt. Magersüchtige Models kamen hier nicht an.
    Die Kupplung ruckelte heftig, als die Straße noch steiler und kurviger wurde. Während wir uns den Hügel hinauf in ein Dorf quälten, in dem ausschließlich Töpferwaren verkauft wurden, musste ich an meinen ersten Besuch in Ubud auf Bali vor fünfundzwanzig Jahren denken. Die Leute behaupten immer, damals sei auf Bali alles besser gewesen. Wenn sie mal sehen wollen, wie es dort war, bevor es vom Tourismus erobert wurde, sollten sie nach Sri Lanka fahren.
    »Die Singhalesen betrachten sich selbst nicht als arm«, sagte Lydia. »Sie finden nur, dass die Leute im Westen absurd reich sind. Wenn du dir mal ein Diagramm zur Vermögensverteilung ansiehst, ist es tatsächlich so.«
    Manchmal hat meine spirituelle Tochter so eine Art, Dinge verblüffend klar darzustellen. Sie hatte recht. Verglichen mit den Singhalesen schwimmen wir in Geld, aber wir lassen zu, dass wir geistig verarmen, indem wir immer nur das sehen, was wir nicht haben.
    Die Bewohner dieses von Überschwemmungen, Bürgerkriegen und Tsunamis gezeichneten Landes schienen sich eine Menschlichkeit bewahrt zu haben, die dem Westen in seinem Konsumwahn abhandengekommen war. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, Sri Lanka mit der Welt zu teilen und es gleichzeitig zu beschützen. Sobald Touristenschwärme nach Sri Lanka strömten, würde das Land in finanzieller Hinsicht gewinnen, aber vielleicht auch sehr viel verlieren.
    Der Mönch wies den Fahrer an,

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