Kater mit Karma
sauberes Wasser geglitzert hatte. Bei diesem Anblick bekam ich Sehnsucht nach den leuchtend grünen Wiesen und fetten friesischen Kühen aus meiner Kindheit.
Wo wir auch waren, immer öffnete Lydia die Türen für mich und ging einen halben Schritt hinter mir, so als gebiete das der Respekt. Sie verhielt sich dermaßen devot, dass ich gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Zu einer solchen Unterwürfigkeit hatte ich sie gewiss nicht erzogen.
Nicht dass ich mich beklagt hätte, wenn sie meine Füße mit Öl massierte. Lydia hätte sich in den Wochen nach der Operation nicht fürsorglicher um mich kümmern können – sie hatte gekocht, gewaschen, geputzt und sogar aufgewischt, nachdem ich mich über die blauen Dackelhausschuhe übergeben hatte. Ihre regelmäßigen Bauchmassagen hatten die Schwellung zurückgehen lassen und mir einen erneuten Krankenhausaufenthalt erspart, um die Flüssigkeit absaugen zu lassen.
Jonah trug seinen Teil dazu bei, die Wogen zwischen uns zu glätten. Immer wenn wir zärtlich mit ihm sprachen und über sein Fell streichelten, konnten wir gar nicht anders, als auch liebevoller miteinander umzugehen. Lydia und ich waren einander näher, als wir es jemals gewesen waren.
Auch wenn wir nie darüber redeten, ob und wann sie nach Sri Lanka zurückkehren wollte, leitete ich unverdrossen Reisewarnungen und Berichte über den Bürgerkrieg an sie weiter. Sie reagierte nicht darauf. Wenn ich sie fragte, ob sie meine E-Mails gelesen oder auch nur geöffnet habe, antwortete sie ausweichend. Ich erklärte ihr, dass die Informationen wichtig seien. Ich bemerkte selbst, dass der vorwurfsvolle Ton in meiner Stimme wieder da war.
Räucherstäbchenduft schwebte durchs Haus, wenn sie in den blassen Farben einer Klosterschülerin die Treppe herunterkam. Auf meine Frage, ob sie immer noch Nonne werden wolle, vielleicht in einem hübschen Kloster hier in der Nähe, erntete ich beharrliches Schweigen.
Während ich bereit war, zu akzeptieren, dass Lydia mit ihrem Leben machen konnte, was sie wollte, schließlich war sie volljährig, war mir der Gedanke, dass sie es möglicherweise aufs Spiel setzte, unerträglich.
Man konnte in Bussen und am Strand meditieren … im Grunde überall, erklärte ich ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Sie musste dazu nicht nach … ich brachte kaum noch den Namen des Landes über die Lippen.
Meine Bemühungen, sie mit Freunden, »netten Buddhisten vom nebenan«, zusammenzubringen, hätte ich mir sparen können. Bärte und selbstgeflochtene Sandalen waren nicht ihr Ding. Lydia starrte über ihre Köpfe hinweg an die Wand und demonstrierte auch sonst ein an Unhöflichkeit grenzendes Desinteresse.
Einmal kam ihre alte Schulfreundin Angelique zu Besuch, um mit uns Mittag zu essen und sich das Kätzchen vorführen zu lassen. Lydia und Angelique hatten zu den Jahrgangsbesten in der Schule gehört und waren beide ein Jahr jünger als die meisten ihrer Klassenkameraden gewesen.
Jonah hüpfte auf Angelique zu und machte sich sofort über ihre Schuhschnallen her.
»Wie süß!«, rief Angelique, hob ihn hoch und drückte ihn an ihre Wange.
Mit ihren blonden Locken sah Angelique aus wie Marilyn Monroe, und ihr Designeroutfit war das glatte Kontrastprogramm zu Lydias Klosterkluft. Angelique hatte gerade das Physikum abgelegt, aber da sie Kinderärztin werden wollte, hatte sie noch einen langen Weg vor sich.
Bei einer Schüssel Salat brachten sich die Mädchen gegenseitig auf den neuesten Stand. Angeliques Freund, der sie offensichtlich anbetete, hatte gerade eine Stelle in einer Anwaltskanzlei angetreten. Die beiden kicherten über einige ehemalige Lehrer, über andere sprachen sie voller Bewunderung. Als Lydia von ihren spirituellen Plänen erzählte, sah Angelique sie verständnislos an.
Zum Abschied gab sie Lydia einen Kuss und stöckelte in einer Parfümwolke zur Tür hinaus. Alles, was ich jetzt sagte, würde falsch sein. Aber ich konnte es dennoch nicht sein lassen.
»Angelique sah sehr hübsch aus«, sagte ich beim Geschirrabtrocknen.
Lydia wischte den Tisch ab und wechselte das Thema. »Ich wollte dich fragen«, sagte sie und es klang irgendwie drohend, »ob du vielleicht Lust hättest, mir einen Schal zu stricken?«
Ich fühle mich immer geschmeichelt, wenn mich jemand um eine Kostprobe meiner dürftigen Handarbeitskünste bittet.
»Ja natürlich! Welche Farbe?«
Sie schüttelte den Lappen über dem Abfalleimer aus und ein paar Krümel fielen auf den
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