Kater mit Karma
Geräusch des Windes war neu für ihn – und zutiefst beunruhigend. Gerade als Philip sich bücken wollte, um ihn wieder auf den Arm zu nehmen, schoss der Kater los und mit rasender Geschwindigkeit einen Baum hoch. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass Jonah wusste, wie man auf Bäume kletterte.
Auf einen Ast gekauert, legte er die Ohren an, als der Wind durch den Baum fuhr wie der Sturm über ein Schiff auf hoher See. Jonah klammerte sich an seinen Mast und wirkte ein wenig seekrank.
Lydia rannte los und holte die Leiter. Philip lehnte sie gegen den Baum und stieg zu dem Flüchtling hinauf. Aber kaum hatte er Jonah gepackt, entwand sich dieser seinem Griff und kletterte höher hinauf. Vorsichtig erklomm er auf schokobraunen Pfoten die oberen Äste. Verärgert gurrend und flügelschlagend machte sich eine Taube aus dem Staub.
»Dann bleibt er eben oben«, sagte Philip.
»Aber wenn er nicht weiß, wie er wieder runterkommt?«, jammerte Katharine. »Oder wenn er beim Nachbarn runtergeklettert und sich verläuft?«
Genervt schwang sich Philip von der Leiter nach oben und stieg erstaunlich behende auf einen Ast. Atemlos sahen die Mädchen und ich zu. Mit jedem Ast, den Philip erklomm, kletterte Jonah seinerseits einen weiter nach oben. Je höher sie stiegen, desto dünner und weniger vertrauenswürdig wurden die Äste. Wenn Philip den falschen erwischte, würde er runterfallen.
»Ich hab ihn!«, rief er.
Die Mädchen und ich seufzten im Chor auf, als Philip sich mit Jonah im Arm von dem Baum abseilte. Aber kaum hatten Philips Füße den Erdboden berührt, entwand sich der Kater seiner Umklammerung und sauste los.
»Versperrt ihm die Fluchtwege!«, rief Philip. »Er versucht zu entkommen!«
Die Mädchen nahmen schnell ihre Positionen auf der linken Seite des Hauses ein, während ich die hintere Terrasse besetzte und über die Narbe an meinem Bauch strich.
Jonah verwandelte sich in einen hellbraunen Tornado, der immer schneller in immer größeren Kreisen das kleine Rasenstück umrundete. Philip hechtete ihm nach, aber der Kater wich ihm in Windeseile aus und Philip landete mit leeren Händen auf dem Boden.
»Aufpassen!«, brüllte er den Mädchen zu und klopfte sich die Erde von den Ellbogen. »Er ist gleich bei euch!«
Die Mädchen gingen in die Hocke und bildeten mit ausgestreckten Armen eine menschliche Mauer, als der Kater auf sie zuflitzte. Mit einer geschickten Drehung seines Hinterteils bog er ab … und verschwand in dem schmalen Durchgang neben dem Haus.
Irgendwie kam mir das alles bekannt vor. Die Jagd, der Versuch, ihm den Weg zu versperren, die schnelle Fußarbeit, gefolgt von einem überraschenden Ausbruch. Wie oft hatte ich während einer von unzähligen Rugby-Übertragungen neben Philip auf dem Sofa sitzend mit dem Schlaf gekämpft und nichts verstanden. Genau, das war’s! Sie spielten Rugby. Jonah kam ganz nach seinem Namensvetter Jonah Lomu.
Wir spähten um die Ecke. Hierher wagte sich kein Lebewesen, außer ein paar Spinnen und dem Klimaanlagentechniker. Nichts von Jonah zu sehen und zu hören.
Philip flüsterte den Mädchen zu, sie sollten die Stellung halten, während er um das Haus nach vorne lief und am anderen Ende der Schlucht wartete. Ich folgte in gemächlicherem Tempo, um Unterstützung zu leisten.
»Könnt ihr ihn sehen?«, rief er.
»Nein! Du?«
Stille, bis auf das Rauschen des Windes. Jonah hatte sich in Luft aufgelöst.
Inzwischen war auch ich vorne angelangt und fing an mich zu fragen, ob sich das Kätzchen für immer aus unserem Leben verabschiedet hatte, als ein Kugelblitz aus dem Durchgang schoss. Wie in Zeitlupe sah ich, dass Philip zur Seite hechtete und sich dabei elegant in der Luft drehte. Er streckte die Arme aus, legte die Hände um das Geschoss und lüpfte es vom Boden.
Einen Moment lang hingen Mann und Fellbündel in der Luft … dann wurde die Zeitlupe wieder ausgeschaltet und die beiden plumpsten auf die Erde, Philip landete mit ausgestreckten Armen auf dem Bauch, in den Händen das unverletzte Kätzchen. Ein perfektes Tackling.
»Der arme Jonah!«, rief ich. Aber als Philip sich das Blut von den Knien wischte und mir den Kater reichte, sah ich, dass Jonah putzmunter und unverletzt war. Er schnurrte begeistert und streckte Philip eine Pfote entgegen, ein echter Sportsmann.
17.
Hauskatze
Das einzige, was noch beunruhigender ist, als Katzen und Töchter zu sehr an sich zu binden, ist, sie in die Welt hinausziehen zu lassen.
Unsere Tochter und unser
Weitere Kostenlose Bücher