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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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und das Glöckchen in Bewegung zu versetzen. Jonah sah mir ein paar Sekunden lang gebannt zu, bevor er seine Beine in die optimale Sprungposition brachte. Die Flugbahn seines Opfers abschätzend, wiegte er sich erwartungsvoll hin und her.
    Mit wachsender Konzentration beobachtete er den Vogel, so als würde er sich in seine Beute hineinversetzen, und vollzog jede Bewegung mit. Dann machte er mit der Anmut eines Rudolf Nurejew auf dem Höhepunkt seiner Karriere einen Satz und schnappte sich Vogel und Glöckchen mit Zähnen und Vorderpfoten.
    Nachdem wir erst einmal damit angefangen hatten, konnten wir nicht mehr aufhören. Jeder Sprung war wie Ballett. Es gab keine Herausforderung, der sich der kleine Kater nicht gestellt hätte. Er sprang immer höher, und manchmal schien es, als würde er mitten in der Luft in einer Pose erstarren, bevor er den Vogel fing. Er war so hübsch mit seinen milchkaffeefarbenen Schattierungen und den funkelnden blauen Augen. Und so voller Leben.
    Ich begann erneut Jonahs Charme zu erliegen.
    »Na, geht’s immer noch zurück in die Tierhandlung?«, fragte Philip lachend, als er mit Teebechern und Marmeladetoast beladen zurückkehrte. Er machte es sich in seinem Lieblingssessel bequem und biss in eine Scheibe Toast. Jonah hatte jedoch nicht die Absicht, ihn sein Frühstück in Ruhe genießen zu lassen. Den Vogel zwischen die Zähnen geklemmt, sprang der Kater vom Bett und ließ Philip die Angel vor die Füße plumpsen, dann legte er den Kopf schief und wich ein paar Schritte zurück. Dabei ließ er Philip keine Sekunde aus den Augen.
    »Man kann ihm einfach nichts abschlagen«, sagte ich.
    Scheinbar widerstrebend hob Philip die Angel mit einem Seufzer auf. Er machte es Jonah jedoch nicht leicht. Bevor wir uns kennenlernten, war Philip Ausbilder bei der Armee gewesen. Jetzt besann er sich auf alte Fähigkeiten und ließ die Angel doppelt so schnell wie ich durch die Luft sausen. Jonah nahm die Herausforderung an, sprang noch höher, lief noch schneller, hüpfte so rasch aufs Bett und wieder herunter, dass er sich in einen verschwommenen, hellbraunen Pelzklecks verwandelte. Manchmal erwischte Jonah den Vogel, manchmal war der Vogel zu schnell für ihn.
    »Quäl ihn nicht«, sagte ich.
    Philip hielt inne und lächelte auf den kleinen Kater hinunter, bei dem lediglich die bebenden Flanken eine gewisse Anstrengung erkennen ließen. Dann begannen sie eine neue Runde.
    Philip stand auf und wirbelte den Vogel im Kreis um seine Beine herum, Jonah jagte nur eine Schnurrhaarlänge entfernt hinterher.
    Das war die Art von spielerischem Balgen und Toben, die Philip seit Robs Auszug vermisst hatte. Mann und Kater gaben ein gutes Paar ab. Jedes Mal wenn Philip das Spiel beenden wollte und die Angel weglegte, hob Jonah sie auf und legte sie ihm wieder in die Hand.
    »Hier muss leider jemand arbeiten gehen«, sagte Philip seufzend, hob Jonah hoch und lud ihn über meinen Knien auf der Bettdecke ab. Jonah stieß einen merkwürdigen Laut durch die Nase aus – eine Mischung aus Glucksen und Niesen, eine Art »Nicksen«. Mit diesem Nicksen, an das wir uns bald gewöhnen sollten, tat Jonah seine Enttäuschung oder Missbilligung kund. Er wollte nicht, dass das Spiel zu Ende war.
    »Mach dir nichts draus, Kleiner«, sagte ich. »Dafür darfst du jetzt mit mir ein Nickerchen halten.«
    Der Blick, den Jonah mir zuwarf, hätte einen Eisberg zum Schmelzen gebracht. Schnurrend stieg er über die Bettdecke und wich dabei bedachtsam den empfindlichen Stellen an meinem Körper aus. Er schien seinen Platz ganz genau zu kennen und schmiegte sich mit dem Kopf auf dem Kissen an meinen Hals. Dann stieß er einen Seufzer aus wie ein Reisender, der nach langer Fahrt endlich zu Hause angekommen war. Wie hätte ich dem widersprechen sollen?
    Als ich Mary mit ihrem Koffer die Treppe herunterkommen hörte, spürte ich einen Kloß im Hals. Ich hatte es unendlich genossen, sie eine Woche um mich zu haben. Philip brachte sie zum Flughafen. Während er ihren Koffer ins Auto lud, vergrub ich mein Gesicht an ihrer Schulter und dankte ihr für alles.
    »Pass auf dich auf«, sagte sie. »Und viel Glück mit dem kleinen Teufelsbraten.«

16.
Freigänger
    Eine Katze verbessert die Beziehung.
    Während ich langsam wieder zu Kräften kam, unternahm Lydia mit mir Ausflüge aufs Land. Verdorrte Koppeln dehnten sich unter einem erbarmungslos blauen Himmel aus. Zu Skeletten abgemagertes Vieh trottete durch rissige Schlammkrater, in denen einmal

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