Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
diesmal folgte ihm Serrano nicht.
Liebermann irrte durch die Straßen, bis er merkte, dass er das Viertel hinter sich gelassen hatte und dem Strom der Touristen in Richtung Innenstadt folgte. Er ließ sich treiben. Wenn er, was selten vorkam, seinen summenden Kopf hob, begegnete er den Gesichtern fremder Leute. Gut so. Diese Leute gingen ihn nichts an, und er ging sie nichts an, gut so! Er merkte erst auf, als die geschmeidigen Klänge einer Gitarre an sein Ohr drangen.
Ein Stück vor ihm, im Schutz der Liefereinfahrt eines Buchladens, entdeckte er Reiner. Er grinste den Passanten zu, unterbrach sich hin und wieder für ein Späßchen, dann bemerkte er Liebermann.
»Mein Retter!«
Liebermann beschleunigte den Schritt. Der Sänger schlug eine Art Tusch an, überholte ihn und schnitt ihm mit kühn Vorgesetztem Bein den Weg ab.
»Das ist der Mann, der mich aus den Klauen des Alkohol befreit hat!«, erklärte er einer vorbeischlurfenden Schulklasse.
»Wow!«, sagte einer der Jungen. »Kann er uns auch von unserer Lehrerin befreien?«
»Reiner«, sagte Liebermann. »Mir geht es nicht besonders. Tu mir einen Gefallen, und lass mich in Ruhe.«
Reiner zog die Augen zusammen. »Probleme mit der Freundin?«
»Vielleicht.«
Der Sänger pfiff leise durch die Zähne. Seine Finger begannen wie von selbst »Yesterday« zu zupfen. »Die Kleine, mit der ich dich vorgestern getroffen habe?«
»Ja.«
Seufzend schlug Reiner sich mit der flachen Hand auf die Tasche seines Jacketts. Liebermann hörte es klimpern. »Ich würde dich gern zu einem Bier einladen. Aber das geht nicht, denn dann bekomme ich auch Durst. Und dann zack schlägt er zu, der Geist der Musik.« Reiner lächelte. Nach einer Weile legte er den Kopf schief.
»Was guckst du mich so an? Hab ich Schorf auf der Nase? Das passiert mir manchmal. Ich weiß nicht immer, woher er kommt. Irgendein Ekzem, würde ich sagen.« Er beobachtete besorgt, wie Liebermann die Luft einsog.
»Wie war das noch mal mit dem Geist der Musik?«, fragte Liebermann.
»Was meinst du?«, fragte Reiner zurück. »Er war eben da, zeigte mit seinem bleichen Finger auf mich und sagte: Reiner, du weißt Bescheid. Denk dran, was aus Jimi Hendrix geworden ist!«
»Wirklich? Hat er das wirklich gesagt?«
Reiner stellte behutsam die Gitarre auf einem Fuß ab und dachte nach.
»Nein. Wenn ich’s mir richtig besehe, hat er gar nichts gesagt. Aber die Art, wie er da herumlag, die hat es mir gesagt.
Es gibt ja auch eine nonverbale Kommunikation, verstehst du?«
So wie Reiner vor ihm stand, in seinem feinen Anzug, und über nonverbale Kommunikation sprach, hätte er auch einen passablen Lehrer abgegeben.
Wenn ihm der Alkohol nicht frühzeitig seinen feuchten Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Er hatte einfach das falsche Ei geköpft, wie Liebermanns Mutter zu sagen pflegte.
Liebermann beugte sich vor, alle Sinne bis aufs äußerste gespannt. »Sag mir, wo du ihn gesehen hast, diesen Geist. Ob du’s glaubst oder nicht, es ist wichtig für mich.«
»Hat es was mit deinem Mädchen zu tun?«
»Ich hoffe nicht, trotzdem.«
»Direkt hinter Jürgens Bar, Katinka, kennst du bestimmt.«
»Du meinst dort, wo Jürgen gerade seine Terrasse baut?«
»Ungefähr. Mehr so am Rand, glaub ich. Ich hab mich am nächsten Tag noch mal hin getraut. Mit weichen Beinen, ist klar, aber sie war weg. Nur ein Geist, wie gesagt.«
»Ja. Versuch dich zu erinnern: Wie sah er aus?«
»Hatten wir das nicht schon mal?«, fragte Reiner plötzlich misstrauisch. »Bist du einer von den Psychofuzzis oder den Anonymen Alkoholikern? Willst du mich testen?«
»Nichts von alldem. Ich will wissen, ob er dem Geist gleicht, den ich gesehen habe.«
Reiner klappte vor Staunen der Mund auf. »Du hast ihn auch gesehen?«
»Das will ich eben wissen«, sagte Liebermann, dem angesichts der Lüge ein wenig flau wurde.
»Wenn das so ist.« Reiner krauste die Stirn. »Also, versteh mich nicht falsch, aber es würde mich erleichtern, wenn wir beide vom selben Geist sprechen. Ich dachte schon mal kurz ...« Er tippte sich an die Stirn. »Du denkst, du siehst Geister, dabei hat dir der Suff die Rübe weggeblasen. Also: weiß, er sah ziemlich weiß aus. Na ja, gemessen an der Umgebung.«
»Und sonst? Du sagtest gerade, sie war weg, also war es ein weiblicher Geist?«
»Habe ich das gesagt? Lass mich nachdenken! Also, ich hab mir natürlich keine besondere Mühe gegeben, mir dieses weiße Ding einzuprägen, damit es mir nicht
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