Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
einen Blick auf die rückwärtigen Fenster und das Baugerüst zu werfen, das Serrano vorher als Sprungturm gedient hatte. Serrano war ihm seit seiner Rückkehr aus der Stadt nicht mehr über den Weg gelaufen, vermutlich folgte er seinen eigenen Schatten. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass kein Bauarbeiter in der Nähe war, und nach einigen väterlichen Worten an seinen Rücken begann Liebermann den Aufstieg.
Es war ein unverschämtes Glück, dass das Haus noch nicht über Kippfenster verfügte. Noch mehr Glück, dass Ralph ein Freund guter Lüftung war, aus welchem Grund er das Fenster des Schlafzimmers nur angelehnt hatte. In diesem speziellen Fall begriff Liebermann es als Einladung, der er, ohne zu zögern, folgte.
Sein Fuß landete in den aufgeschlagenen Decken eines Podestbettes. Die Bärmanns mussten mit ihrem Platz haushalten. Sie hatten jede Möglichkeit genutzt, Stauraum zu schaffen. Liebermann erspähte einen Hängeboden, aus dem wie Münder alter Frauen ein paar zusammengezogene Schlafsackenden lugten. Sonst gab es einen riesigen Kleiderschrank und einen bis auf den letzten Zentimeter behängten Wäschetrockner.
Im Kinderzimmer diente der Hängeboden als Bett für den kleinen Zeichenkünstler von Tante Lehmanns Ladentreppe. Darunter, endlich, wurde Liebermann fündig. Es mussten Hunderte CDs sein, die da aneinandergereiht in dem flachen Regal standen. Die unteren Reihen waren dem Bärmann-Sohn Vorbehalten, wie er sah, als er ein paar der Scheiben herauszog. Liebermanns Augenmerk richtete sich auf die oberen.
Nach einer Weile hatte er das von Ralph erwähnte Kaffeehausgeklimper entdeckt, kurz darauf die Frösche, direkt neben »Der Berliner Zoo«. Seine Finger glitten über die Plastikrücken singender Wale, wachsender Gräser und stoppten kurz bei »Von Pulsschlag bis Verdauung«, ehe sie weitersuchten. Ralph hielt die komplette Klaviatur der Geräusche der inneren und äußeren Welt in seinem Regal gefangen, von Vogelstimmen bis Zähneknirschen, aber es war alles nicht das, worauf Liebermann aus war. Nachdem er sämtliche CDs durchgesehen hatte, wandte er sich zum Gehen, enttäuscht und erleichtert zugleich.
Er hatte bereits einen Fuß auf das Fensterbrett im Schlafzimmer gesetzt, als er, einer plötzlichen Eingebung folgend, noch einmal in die Wohnung zurückkehrte. Im Wohnzimmer empfing ihn dieselbe Unordnung wie beim letzten Mal. Liebermann steuerte auf einen Recorder zu, der auf einem Hocker neben der Schlafkiste der Vierlinge stand, und drückte auf den Eject-Knopf. Eine blanke Scheibe glitt ihm entgegen. Liebermann warf einen Blick darauf, seufzte und schob die Klappe wieder zu. Die CD steckte er in die Tasche. Er vermutete, dass sie ihm als Kind auch ein friedliches Einschlafen ermöglicht hätte, aber das tröstete ihn nicht. Er kletterte wieder nach draußen.
Die Bohlen des Baugerüsts zitterten unter seinem Schritt. Liebermann versuchte, es zu ignorieren. Den Blick starr geradeaus geheftet, schwankte er seinem Ziel entgegen, bis seine Finger einen rettenden Fensterrahmen erreicht hatten. Liebermann kratzte sacht an einem von mehreren Mörtelspritzern auf der Fensterscheibe und drehte sich um. Hinter ihm versperrte eine Metallstrebe den steilen Weg nach unten. Er rüttelte prüfend daran, ehe er sich vorsichtig über sie beugte. Ein kurzer Blick, dann richtete Liebermann sich eilig wieder auf und wartete mit geschlossenen Augen, bis der Tumult in seinem Magen sich gelegt hatte. Dann begab er sich mit weichen Knien auf den Rückweg. Die letzte Leiter sparte er sich. Er sprang um ein Haar in das Küchenmesser der alten Krebs.
Ihr Busen unter dem geblümten Kittel wogte vor Kampfeifer. »Was machen wir denn hier! Stehlen? Plündern nicht bewegen!« Sie hob das Messer. »Tui ponimajesch?«
Liebermann hatte schon einmal einem erhobenen Messer gegenübergestanden. Aber da hatte es nicht in der Faust einer alten Frau gesteckt. Dieser Unterschied erfüllte ihn mit leichter Unruhe.
»Polizei.«
Die Alte blitzte ihn aus algenfarbenen Augen an, dachte aber überhaupt nicht daran, das Messer herunterzunehmen.
»Beweise!« »Sie müssten mich an meine Jackentasche lassen.«
Widerwillig trat sie einen Viertelschritt zurück und folgte misstrauisch seiner Hand, die sich in die Tasche seiner Jacke senkte, um nach der Brieftasche zu tasten. Er schlug sie auf und hielt ihr seinen unseligen Dienstausweis hin.
»So dicht kann ich nichts erkennen!«
Seufzend vergrößerte Liebermann den
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