Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
korrigierte Moritz mit Blick auf die selig schlummernde Krebs.
»Es gibt also etwa achttausendeinhundert Euro, die hier irgendwo herumschwirren. Das ist das Erste. Das Zweite ist das Baugerüst. Ihr könnt die Sanierung nicht ewig aufhalten. Irgendwann ist Goran dran und dann auch du, Moritz. Wo sind die Gerüstteile?«
Moritz zögerte, bis ausgerechnet Nils ihm ein Zeichen machte. »Im Schuppen hinter meiner Werkstatt.«
»Es wäre gut, wenn sie wieder auftauchten.«
Gorans Gesicht hob sich aus seinen Händen. Seine Augen waren feucht.
Liebermann bot ihm eine Zigarette an. »Und jetzt reden wir über die Möglichkeit«, sagte er.
Es war 23 Uhr durch, als sie aufbrachen.
Im Katinka herrschte noch Hochbetrieb, auch wenn einige der Stammgäste fehlten. Sie standen auf der fast fertigen Terrasse hinter der Bar. Nur die alte Krebs war abwesend. Sie war von Ralph und Laura nach Hause gebracht worden, sehr verwundert, was sie um diese nächtliche Zeit noch in Tante Lehmanns Laden zu suchen hatte. Schweigend holte Jürgen einen Spaten aus dem Lagerraum seines Lokals und begann zu graben.
»Pass auf, dass du die Wurzeln nicht zerstichst!«, sagte Nils. Als er etwa bei fünfzig Zentimetern war, hörte Jürgen auf. Die große Zehe eines Fußes schimmerte durch die Finsternis.
Liebermann nickte steif. »Das reicht.«
»Sollten wir nicht etwas singen?«, fragte Nils und fing sich dafür von Nico einen Rippenstoß.
Also war es das Gemurmel und Gelächter der anderen Bargäste, das die Erde begleitete, als sie wieder in das Loch zurückrieselte. Liebermann fühlte sich elend. Noch nie in seiner Laufbahn als Polizist hatte er Derartiges getan. Sein einziger Trost war, dass er den Zeichen des Engels bis zum Ende gefolgt war. Er dachte an Schuld. An eine neunköpfige Familie, die versuchte zusammenzubleiben, an einen Restaurator und an eine Journalistin, die, ohne es zu wissen, fast denselben Tod wie ihr Liebhaber gefunden hatte, und noch dazu fast am selben Ort. An den göttlichen Daumen und an eine Kühltruhe, in der Erdbeeren wuchsen. Und an eine Katze, die den Frühling im Blut gehabt hatte. Mehr denn je wünschte Liebermann sich zu Nico. Aber er wusste, dass es vorbei war. Unsicher war er nur, ob es überhaupt je angefangen hatte.
Ihr und Nils’ Arm berührten sich. Liebermann wandte sich ab.
Als Jürgen den Sand auf dem zugeschaufelten Loch festgetreten, den Rindenmulch darübergekehrt und die Handschuhe ausgezogen hatte, trat einer nach dem anderen schweigend durch den Hintereingang ins Katinka. Es würde eine lange Nacht werden. Nur Liebermann blieb stehen. Niemand sah sich nach ihm um. Niemand lud ihn ein, sein schweres Polizistenwort mit in die Waagschale der nächsten Stunden zu werfen. Natürlich hätte er es nicht getan, trotzdem traf die offensichtliche Ablehnung ihn hart.
Er nahm den Umweg über den Park, in der Hoffnung, dass die Nachtbrise seinen dampfenden Kopf kühlen würde.
An einer mächtigen Platane machte Liebermann halt. »Weißt du, wie ich mich fühle?«, sagte er zu ihr und schlug die Stirn gegen die blättrige Rinde.
»Wie solltest du. Du bist nur hirnlose Cellulose und Chlorophyll. Du Glückliche.«
Die Platane antwortete nicht. Ihr vornehmes Schweigen erinnerte ihn an Nicos Schneiderpuppe, die jetzt ohne Kleid dastand, und Liebermann verfluchte sich, weil er nicht Lektor geworden war, der all das, was die letzte Woche ihm beschert hatte, mit der Bemerkung: »Unfug!« an den Autor zurückschicken konnte.
Sonntag
Als Liebermann am nächsten Morgen die Sonntagszeitung aus dem Briefkasten fischte, fand er dort außerdem einen braunen Umschlag, der ein ziemlich unpersönliches Bündel Geldscheine und eine Postkarte vom Schloss Sanssouci enthielt. Er legte ihn unter die Pinnwand. Dann ging er in die Küche, um sich eine Tablette einzuwerfen, in der Hoffnung, dass sie nicht nur gegen seine wiedergekehrten Rückenschmerzen half. Auch die Kopfschmerzen waren noch da. Stechend, falls Uwe fragen würde. Er griff nach dem piepsenden Handy, dem unsichtbaren Faden aus dem Kokon des Schweigens, der sich im Lauf der letzten vierundzwanzig Stunden um ihn gewoben hatte, und nahm es mit hinaus auf den Balkon. Während er seiner widerwärtig gutgelaunten Exschwiegermutter erlaubte, Miri noch ein paar Tage bei sich zu behalten (»Sie ist so glücklich mit den Tieren!«), krallten sich Liebermanns Augen in die geschlossenen Vorhänge gegenüber.
Es löste keine Wut aus, auch keine Verzweiflung mehr, als
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