Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Schädel, schwamm in seinem Gehirn herum, bis es die richtige Windung erwischt hatte. Er schüttelte sich, um den Prozess voranzutreiben, und es schlug in ihn ein wie das Beil des Fleischers in einen Schweinenacken. Bismarck rückte ein Stück von ihm ab.
»Du hast dir doch nicht etwa einen Floh eingefangen!«
»Cäsar«, murmelte Serrano. »Cäsar steht im Begriff, mein Revier in Besitz zu nehmen. Mit allem, was dazugehört.«
Als Liebermann auf den Spielplatz kam, saßen auf einer Bank zwei Mütter in eine Plauderei vertieft, während sich ihr Nachwuchs plärrend um eine Schippe zankte. Die Schaukel hing schlaff herab. Er blickte kurz zu den Müttern und dann noch einmal zur Schaukel. Beim ersten Mal hatte er offensichtlich etwas Wesentliches übersehen.
Die Schaukel hing schlaff herab.
Liebermanns Fingerspitzen wurden zu Eis.
Er kehrte um und humpelte über die Straße zur Haustür, wo er auf einen älteren Herrn traf, der Blütenblätter vom Bürgersteig in den Rinnstein fegte.
»Haben Sie meine Tochter gesehen? Blaues Kleid, Zöpfe, fünf Jahre?«
Der Alte trat einen Schritt zurück, weniger, schien es, vor Schreck, als um Liebermann besser ins Auge fassen zu können. »Guten Tag! So grüßt man hier bei uns. Nein, ich habe kein Mädchen gesehen. Auf Wiedersehen!« Liebermann ließ den Alten stehen und humpelte zurück, direkt auf die Bank mit den plaudernden Müttern zu.
»Ich suche meine Tochter!«, herrschte er sie an.
Die Frauen unterbrachen ihr Gespräch und beäugten ihn missbilligend. »Hier waren zwei Mädchen«, sagte die linke von ihnen endlich. Sie zeigte auf den Ausgang des Spielplatzes Richtung Nansenstraße. »Bis vor etwa zehn Minuten. Sie sind da raus.«
»Hatte eins davon schwarze Zöpfe? Eine zarte Kleine, mit einem blauen Kleid.«
»Die hatten beide schwarze Zöpfe. Aber kann sein, dass eine was Blaues getragen hat. Sie sind einer Katze hinterher.«
»Danke.«
»Wenn man sich mal umdreht, was?«, fügte die andere hinzu. Aber Liebermann war schon unterwegs.
Kaum war er um die Ecke, stoppte er. Aus einem der Rhododendronbüsche, die in der Nansenstraße jeden dritten Vorgarten zierten, lugte der Zipfel eines blauen Rockes. Liebermanns Puls überschlug sich ein letztes Mal, ehe er neben ihm in die Knie ging. Im Inneren des Busches war es schummrig. Das Einzige, was Liebermann erkennen konnte, war der Schatten einer großen Katze, die schnurrend um Miris Knie strich.
»Das ist Cäsar«, flüsterte sie ihm zu, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass er kam, um sich mit ihr einen fetten Kater anzusehen. Auf ihrem Gesicht tanzten die Schatten der Blätter. Von ihrer Begleiterin konnte er nur das Profil sehen. Und einen Zopf, der ihr bis auf das Knie herunterhing. Als sie sich zu ihm umdrehte, fiel Liebermanns Blick in zwei beinahe schwarze Augen. »Bist du Miris Papa?«
»Das bin ich. Und du?«
»Zyra«, sagte sie. Sie sah ihn abschätzend an. »Kann Miri noch mit zu mir?«
Cäsar wurde es zu bunt. Er verließ den Rhododendron mit einem akrobatischen Satz. Übrig blieben sie. Ein Mann und zwei kleine Mädchen unter einem Busch. Liebermann hatte nicht übel Lust, sich seinen Dienstausweis an den Hintern zu heften. Nur für den Fall.
»Bitte!«, flehte Miri. »Ich will zu Zyra.«
»Vielleicht fragen wir zuerst ihre Mutter.«
»Meine Mutter findet es gut, wenn ich Freunde mitbringe«, sagte Zyra unwirsch. »Sie spielt nicht gern Kakerlakenpoker.«
»So«, machte Liebermann und glotzte sie an.
»Du etwa?«
»Eher nicht.«
»Wegen der Wanzen, oder?«, fragte sie mit wissendem Lächeln.
»Nein. Ich verliere immer.«
»Ach so«, sagte sie verständnisvoll.
»Macht nichts. Ich bin drüber weg.«
Nur etwa hundert Meter von dem ungleichen Trio entfernt huschte Serrano lautlos durch das Maigras. Löwenzahn streichelte fett und golden sein Kinn. Doch er richtete kein Augenmerk darauf. Von einem Nussbaum hing eine lange Schaukel bis fast auf den Boden. Eine neue Schaukel, er hörte das Holz des Sitzbrettes noch arbeiten, aber auch dafür hatte Serrano kein Ohr. Er suchte Cäsar. Kaum zu fassen, dass er erst jetzt drauf gekommen war! Dabei hatte Cäsar es ihm sogar angedeutet, als er sich an seinem Pansen vergriffen hatte. »Seht her, ich habe die Freundin des Alten, ich fresse sein Futter, schaut auf den neuen Herrscher des Viertels!« Aber wenn Cäsar so rechnete, hatte er sich geschnitten. Was für eine Vorstellung: Aurelias Nachkommen, die Sprosse seines Sohnes!
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