Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
aus auch später. Ich bin Nico.«
»Liebermann.«
Sie betrachtete ihn aufmerksam. Auf dieselbe Weise hatte ihn auch ihre Tochter angesehen, nur dass Nicos Augen grau waren und nicht braun. Endlich erschienen auf ihren Wangen die Grübchen.
»Na dann, Liebermann: Freut mich, dich kennenzulernen. Bist du der echte Vater oder der neue?«
»Der echte.« Der neue? Vor Liebermanns Augen erstand wieder Theklas Bett mit den beiden bezogenen Decken, die er seit drei Nächten abwechselnd benutzte. Miri hatte nichts von einem Neuen gesagt.
»Also um sechs«, sagte Nico und ließ seine Hand los.
Hinter ihnen stemmte Nils sich ächzend vom Sofa. »Was ist jetzt mit dem Kaffee?«
Nico hob die Schultern »Mein Abfluss ist immer noch kaputt.«
Liebermann kehrte in die Wohnung seiner Exfrau zurück und brachte ein paar Minuten damit zu, das Bett im Schlafzimmer zu begutachten. Er inspizierte sogar die Nachttischschubladen auf der Suche nach Hinweisen, die auf einen Mann in Theklas Leben deuteten. Aber alles, was er fand, waren eine Siddhartha-Biographie und ein Buch mit dem Titel: »Zwanzig Tipps, ihn zu verlassen«. Es schien ihm kaum die richtige Lektüre für den Beginn einer neuen Beziehung. Das Bett brachte auch nichts. Es war vor seiner Ankunft frisch bezogen worden. Liebermann ging ins Wohnzimmer und versuchte sich an Rumpfbeugen, was er bald wieder aufgab, dann stakste er auf den Balkon.
Unten wurde gerade der Pick-up eingeparkt, auf dem am Vortag der alte Fernseher gestanden hatte. Diesmal transportierte er Flaschenkisten. Der Straßenfeger vom Nachmittag trat aus Liebermanns Haus, wartete, bis der Fahrer des Pick-ups ausgestiegen war, und folgte ihm zur Ladefläche. Mit einer Behändigkeit, die Liebermann ihm nicht zugetraut hätte, denn selbst aus einiger Entfernung konnte man sehen, dass er die Lebensmitte überschritten hatte, kletterte der Fahrer hinauf und reichte dem Alten einen der Kästen hinunter.
»Grüßen Sie Ihre Frau und die Kinder!«
Der Fahrer nickte und sprang wieder zu Boden. Liebermann registrierte seinen dunklen Teint. In Berlin hatte er eine Zeitlang in einem Kiez gelebt, der hauptsächlich von türkischen Gastarbeitern besiedelt gewesen war. Dieser Mann dort war kein Türke. Grieche vielleicht, oder Jugoslawe? Er zog einen zerfledderten Post-it-Block aus der Tasche und notierte sich die Frage, um sie später zu beantworten.
Vorerst ließ er den Getränkelieferanten und konzentrierte sich auf die Fenster im zweiten Stock des Hauses gegenüber. Hinter einem von ihnen sprang seine Tochter auf einem Trampolin herum. Aber er sah nichts außer dem falschen Hamlet, der, nun wieder zivilisiert, das Haus verließ und sich pfeifend mit dem Fahrrad auf den Weg machte, nachdem er den Lieferanten durch eine Berührung der Schläfe gegrüßt hatte. Der Pick-up-Fahrer hupte und fuhr an.
Nachdenklich griff Liebermann nach dem Handy und wählte die Nummer des Büros.
Uwe war nicht da. Er hatte Liebermanns Anweisungen befolgt und eine Stunde mit einer Eiskompresse auf seiner schmerzenden Wange auf der Liege im Bereitschaftsraum zugebracht. Nur einmal war er aufgestanden, um sie zu erneuern, Marion einen kryptischen Aufgabenzettel auf den Schreibtisch zu legen und einen Schluck Kaffee zu trinken. Danach war seine Wange noch blauer, aber sie fühlte sich etwas besser an. An seiner Stimmung änderte sich nichts. Uwe hasste den Außendienst, und Liebermann wusste das. Trotzdem schickte er ihn in ein Wespennest von Klatschredaktion, wo man sich zweifellos ausschütten würde über den Polizisten mit der Visage einer Bulldogge, der kaum imstande war, einen deutlichen Satz zu sagen, und permanent mit dem Schlucken von Spucke beschäftigt war.
Während seiner Kühlphase hatte er beschlossen, Marion die lästige Angelegenheit aufzuhalsen. Aber als die Stunde um war, lag der Zettel unberührt auf ihrem Tisch. Dafür teilte der Anrufbeantworter ihm mit, dass Marion sich entschuldigen ließ. Ihre Mutter hatte abgesagt, sie wusste nicht, wohin mit ihrem verlausten Sohn. Das »verlauste« fügte Uwe eigenmächtig hinzu, ehe er verbittert nach seinem Kamm griff und sich einen akkuraten Scheitel zog, von dem er hoffte, dass er die Damen der Redaktion von seiner Hängewange ablenken würde.
Mittlerweile trank Uwe in der »Nachbarn«-Redaktion der Illustrierten seinen zweiten Espresso und war mit der Wirkung seines Scheitels einigermaßen zufrieden. Der Blick von Mademoiselle Eva er hatte sie so genannt, und sie hatte
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