Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
die Mühsal des Lebens bereits hinter sich hatte. Jedenfalls hatte die Suche nicht selten mit einer so spinnerten Idee begonnen wie der, Tuten, Wind und Möwengeschrei zu folgen.
»Eins noch«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob es uns was angeht, aber bei Stefan Berlich wurde eingebrochen.« Die Nachricht bewirkte, dass sowohl Uwe als auch Liebermann mit ihren jeweiligen Beschäftigungen innehielten. Unter der Wucht doppelter ungeteilter Aufmerksamkeit senkte Marion den Kopf. »Scheinbar wurden Bilder gestohlen. Von Tizian.«
»Ach«, machte Liebermann, und Uwe warf sich eine Knoblauchpille in den Mund.
Auf dem Weg nach Potsdam kam Liebermann an dem Bistro vorbei, in dem er Thekla vor neun Jahren kennengelemt hatte. Er hatte es schon oft im Vorbeifahren gesehen, ohne ihm besondere Beachtung zu schenken. Diesmal überlegte er, ob er aussteigen und ihm einen Besuch abstatten sollte. Die Vergangenheit hatte plötzlich etwas Magisches. Er merkte es zum Beispiel an der Wirkung verschiedener Gegenstände aus ihrer gemeinsamen Zeit, die er in Theklas Wohnung wiederentdeckt hatte: Becher, Handtücher, die Schreibtischlampe, nicht zuletzt seine Plane, unter der sie im ersten Sommer ihrer Liebe einige wilde Nächte verbracht hatten. Sie erinnerten ihn an früher, aber noch eher schien ihm, als ob sie an die Vergänglichkeit an sich erinnern wollten. Auch dieses Bistro. Liebermann bemerkte eine neue Markise und einen zur Hälfte abgeblätterten Klebebuchstaben am linken Schaufenster. Eine unmögliche Sehnsucht nach billigem Kaffee und dem Geruch von aufgebackenen Tiefkühlhörnchen überkam ihn. Aber die Straße vor dem Bistro war mit Lieferfahrzeugen und PKWs vollgestellt. Liebermann wusste, dass es aussichtslos war, einen Parkplatz in der Nähe zu finden. Beinahe erleichtert setzte er seinen Weg fort. Die Vergangenheit winkte, aber sie gewährte ihm keinen Zutritt.
Dann vielleicht die Gegenwart. Liebermann blickte hinüber zu dem obersten Ausdruck des neuen Fotos auf seinem Beifahrersitz. Es war einer von fünf, die er an markanten Orten im Viertel zu verteilen gedachte. Arnie hatte gute Arbeit geleistet. Er strich ehrfürchtig über die kupfernen Photoshop-Locken und musste auf einmal an Laura denken. Sie hatte ihm geraten, sich mit einer Erinnerung zufriedenzugeben, die weder Erfüllung noch böse Überraschungen barg. Liebermann lächelte. Die kleine Laura. Laura war kein schönes Mädchen. Sie war abgesehen von der Frisur eine normale, natürliche junge Frau. Und darin unterschied sie sich von Charlotte Olbinghaus.
Charlotte Olbinghaus hatte, wie er zugeben musste, viel mehr von einer Erscheinung als von einer Frau: einer goldenen, erotischen, eleganten Erscheinung. Wobei elegant das Schlüsselwort darstellte. Vom Schwung der Augenbrauen bis hin zu ihrem betörenden Lächeln war sie ein perfektes Kunstwerk. Liebermann presste die Lippen zusammen und trat hart aufs Gas. Er hatte die Aufgabe, sie dorthin zurückzubringen, wo sie hingehörte: ins Haus eines Galeristen.
Gegen Mittag kehrte Serrano von seiner Viertelrunde zurück. Es war Zeit, dass er seine Geschäfte wiederaufnahm, ehe jemand auf dumme Ideen kam. Cäsar war nicht der einzige ehrgeizige Kater in der Gegend. Zum Glück hatte sich in den letzten Tagen wenig ereignet, wenn man davon absah, dass gepaart und geworfen wurde und der Fleischer Zettel mit einem Bild von Serrano an die Bäume geheftet hatte. Dass er nicht nur Sucher, sondern auch Gesuchter war, hatte Serrano zunächst gerührt. Dann war ihm klargeworden, dass genau genommen auch der Fleischer die Schuld an Aurelias Verschwinden trug. Er hatte einen der Zettel vom Baum gerissen und zerfetzt. Danach war es ihm für eine Weile bessergegangen.
Nicht viel Neues im Kiez. Der buschige Sven war aus Versehen unter die Füße seines Steinmetzen geraten und hinkte. Und Streuner war wieder einmal untergetaucht. Was im Prinzip nur seinem Namen entsprach, aber der Zeitpunkt war seltsam. Für gewöhnlich bekam Streuner seinen Rappel angesichts der ersten Schneeglöckchen. Dann verließ er das Viertel für mehrere Wochen und kehrte Anfang Mai zurück, ohne je über seine Ausflüge zu sprechen.
Weil der Geräteschuppen des Kindergartens, in dem er bisher gewohnt hatte, während seiner Abwesenheit abgerissen worden war, hatte Streuner diesmal nach seiner Ankunft in einem maroden Baumhaus Quartier bezogen. Nur um gleich darauf wieder zu verschwinden. Serrano hatte eine entsprechende Anzeige am Kratzbaum gefunden,
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