Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
der Schrift nach vom friedlichen Ben. Ben und Streuner trafen sich regelmäßig, um einander anschließend aus dem Weg zu gehen, das Zeichen höchsten Respekts.
Müde bog Serrano aus der Ossietzkyin die Meistersingerstraße ein. Dann überlegte er es sich anders und ging noch einmal zur Ossietzkystraße zurück. Auf der anderen Straßenseite war der Fremde in derselben Richtung unterwegs. Serrano bemerkte, dass sein Gang sich im Vergleich zum Freitag halbwegs normalisiert hatte, auch wenn ihm noch immer etwas Steifes anhaftete. Den Blick hielt der Fremde zu Boden gesenkt.
Serrano überholte ihn, flitzte über die Kreuzung und strich am Lebensmittelladen vorbei. Ihm fiel ein, dass sein Antrittsbesuch bei Maja noch ausstand. Irgendwo da, hinter den verschmierten Fenstern zum Lagerraum, grub sich ein Wurf durch Fell und Decken, der nicht vom ihm war. Serrano hatte keine Lust auf blinde Fellbällchen, die ihm hohnlachten. Zwei Aufgänge weiter hatte er sie vergessen.
In den weißen Gespinsten um Aurelias Haus fing sich die Mittagssonne. Davor stand, unter der Aufsicht der Alten mit der Schürze, ein Grüppchen rauchender und schwatzender Männer. Die Alte hielt einen Teppichklopfer in der Hand, mit dem sie vorgab, einen Fußabtreter zu bearbeiten, aber alle paar Sekunden vergaß sie ihr Vorhaben und ließ ihre Ohren zu den Männern Hinüberwachsen. In sicherem Abstand hockte Serrano sich zwischen zwei Mülltonnen und rief.
Augenblicklich schoss der Teppichklopfer der Alten in die Höhe. »Da! Schon wieder!«
Die Männer lachten und sahen sich um. Serrano duckte sich. Aber das Gefuchtel der Alten ging nur ins Ungefähre. Als wieder Ruhe eingekehrt war, versuchte er, durch den Bauvorhang Aurelias Fenster zu erahnen. Einen dunklen Fleck, der alles sein konnte, selbst ein Bauarbeiter; mehr gab er nicht preis.
Es war Zufall, dass Serranos Augen auf dem Weg nach unten an der rechten der beiden Mülltonnen hängenblieben. Und Schicksal, dass er erkannte, was da zur Hälfte herausragte: ein Katzenkorb.
Liebermann hatte seinen Blick auf das Bürgersteigpflaster geheftet und las in dem zierlichen grau-weißen Mosaik recht interessante Geschichten von missglückten Einkäufen, dem nachvollziehbaren Hass auf Schirmmützen und auf der anderen Straßenseite lief der einohrige Kater. Nicht nötig, die Stein-Geschichten zu unterbrechen. Sie liefen wie ein Balancierstreifen durch das Zentrum seines Blickfeldes. Doch auch in dessen Randgebieten gab es Bewegungen: ein Toyota, ein Radfahrer vorn an der Ecke links der Kater. Gestern Abend hatte er Liebermann im Vorgarten von Nicos Haus erwartet. Da war Liebermann sich sicher. Serrano war just in dem Augenblick verschwunden, als er den Schlüssel aus der Tasche gezogen hatte. Vorher: zwei gelbgrüne Lichtpunkte unter Laternen, deren Ziel: er. Es gab längst einen Satz an der Pinnwand. Der Einohrige verfolgt mich. Und auch wenn er sich zum Beispiel Uwes Reaktion auf die Notiz lebhaft vorstellen konnte, blieb Liebermann dabei. Der Kater war ihm auf dem Hinweg zur Kneipe hinterhergelaufen, dort hatte er ihn durch Nikotin- und Schweißnebel angeglüht, und dann das Willkommen bei der Heimkehr. Liebermann fragte sich, womit er so viel Aufmerksamkeit verdient hatte. Er überquerte die Straße und betrat einen Moment später unter dem aufmerksamen Geleit dreier Augenpaare den Lebensmittelladen an der Ecke Meistersinger-/Ossietzkystraße.
Die Augen gehörten zu Bauarbeitern, die Liebermann schon gestern um die Mittagszeit hier sitzen gesehen hatte. Vor jedem stand eine Flasche Rex Pils.
Er nickte den Männern zu. Einer nickte zurück. Drinnen erblickte er zu seiner Freude Moritz den Restaurator. Er lehnte an der Wursttheke, ins Gespräch vertieft mit einer etwa sechzigjährigen Verkäuferin, die, während sie zuhörte, Bonbons aus Plastiktüten in ein Schraubglas füllte. Sonst war niemand da. Als Liebermann eintrat, ging ein freundliches Wetterleuchten über Moritz’ Gesicht. Liebermann schüttelte ihm die Hand und deutete eine Verbeugung in Richtung Theke an.
»Einer von der alten Schule«, stellte die Verkäuferin befriedigt fest.
»Das ist Liebermann«, klärte Moritz sie auf. »Vater einer Kleinen aus der Meistersinger 4, Lektor und Inhaber einer lädierten Bandscheibe.« Und zu dem errötenden Liebermann mit einer leichten Geste zur Theke: »Tante Lehmann.«
»So isses«, sagte Tante Lehmann und glättete ihren Kittel.
Liebermann hätte sie gern gefragt, ob der Knoten auf ihrem
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