Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
hat er nicht getragen. Eine Perücke höchstens, das könnte sein.« Sein Blick wanderte zur Bierflasche hinunter, auf den Kistenturm und schwupp hatte die Flasche Gesellschaft. »Du meinst, das nimmt er mir wirklich nicht übel?«
»Wenn es Mozart ist, nicht. Der hat selbst gern mal einen über den Durst getrunken«, sagte Liebermann, dem das Geschwafel über verblichene Musen langsam auf die Nerven ging. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Reiner das Bier aufzuschwatzen. Offensichtlich hatte er sich den Verstand längst weggesoffen. Wenn es überhaupt eine Strafe fürs Trinken gab, dann ja wohl diese, wozu brauchte es dann noch Geister? Er nahm Reiner die Flaschen wieder aus der Hand und ersetzte sie durch Malzbier. »Lieber kein Risiko eingehen«, murmelte er. Dann machte er sich davon.
An der Theke versuchte die alte Krebs sich gerade daran zu erinnern, weshalb sie hergekommen war. Hin und wieder gab Tante Lehmann ihr einen Tipp, während ihre Augen die Regale mit den Dosengerichten abgingen. Die Alte dachte über jeden Hinweis gründlich nach, ehe sie den Kopf schüttelte. In eine ihrer Denkpausen hinein fragte Liebermann: »Haben Sie noch Milch am Lager?«
Das Gesicht der Greisin hellte sich auf. »Milch! Ein Pfund Sauerkraut und zwei Flaschen Milch!«
Tante Lehmann wurde blass. »Keine mehr da? Dabei habe ich ... aber die Kunden sind heute auch milchsüchtig! Ich begreife nicht, warum immer alle am selben Tag Milchreis oder Pudding kochen müssen!«
»Ich koche Blutwurst«, erklärte die Alte.
»Dazu braucht man nicht unbedingt Milch«, sagte Moritz. Die Alte warf ihm einen misstrauischen Blick zu und versank wieder in Grübelei.
Dafür straffte sich Tante Lehmann. »In Kürze erwarte ich eine neue Lieferung! Wenn ihr so lange warten wollt?«
In ihren Augen lag so viel Hoffnung, dass Liebermann schneller »Kein Problem!« sagte, als er denken konnte. Strahlend zog die Ladeninhaberin einen Block und einen Stift aus der Kitteltasche.
»Also: Was darf’s noch sein?« Leicht verwundert bestellte Liebermann Brötchen und Eier aus dem Phantomsortiment und Apfelmus und Zigaretten aus dem realen. Auch die alte Krebs schien endlich zu einem Entschluss gekommen zu sein.
»Blumenkohl, eine Flasche Milch und Rahmbutter.«
»Meinst du Rama?«
»Rahm-Butter!«, sagte die Krebs akzentuiert, als hätte sie es mit einer Schwachsinnigen zu tun.
Tante Lehmann zuckte die Schultern und schrieb. »Was ist mit dem Sauerkraut?«
Die Alte kratzte sich den Schädel. »Davon habe ich noch was da.«
Seufzend ließ Tante Lehmann den Block sinken. »Michael!«
Aus einem Reich, irgendwo unter Liebermanns Füßen, drang lautes Poltern.
Wenige Sekunden später erschien in einer Tür, die offensichtlich in den Keller hinunterführte, ein hochaufgeschossener, pickliger Junge. »Mein Lehrling«, erklärte Tante Lehmann.
Liebermann beobachtete fasziniert, wie der Lehrling näher kam. Michael bewegte sich mit einer prinzipiellen Vorsicht. Bei jedem Schritt drehte er den hinteren Fuß leicht auswärts. Auf diese Weise enthielt er immer schon die Andeutung einer Flucht.
Tante Lehmann riss den Bestellzettel vom Block. »Expresslieferung. Gib Gas!«
Michael schlug die Hacken zusammen, drehte seinen Fuß, bis es knirschte, und rauschte ab.
»Na, der könnte auch ein bisschen mehr Fett auf den Rippen vertragen«, sagte die Krebs. »Gib ihm Schmalz zu essen!«
Tante Lehmann lächelte zerstreut. »Tja. Das dauert jetzt ein Weilchen. Kann ich euch so lange einen Kaffee anbieten?«
Liebermann nutzte die Wartezeit lieber für einen therapeutischen Spaziergang.
Vor Nicos Haus standen Gorans Pick-up und dahinter ein unscheinbares Auto, das den Schriftzug »N. Bartels Hebamme« trug. Neugierig blieb Liebermann stehen. N. Bartels. Er lächelte und beugte sich vor, um durch das Beifahrerfenster zu spähen.
»Spar dir die Mühe, Liebermann, ich verkaufe es nicht.«
Nico trug Grau heute. Bluse, Hose und zu allem ein kurzärmliges, geringeltes Kleid. Es stand ihr. In einer Hand trug sie die unförmige Tasche, mit der sie am Freitag das Haus verlassen hatte. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite. »Deinem Blick nach sehe ich aus wie der grinsende Neck.«
»Wer?«, fragte Liebermann.
»Ein gefräßiger Flussgeist. Suchst du etwas?«
»Ja und nein. Ich beantworte mir gerade eine Frage.«
»Die da wäre?«
»Wie das Blut gestern auf deine Nase gekommen ist.«
»Und?«
»Du hast eine Frau mit dem Messer malträtiert.« »Falsch«, sagte
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