Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
befreundet. Nicht sie bereitete Serrano Sorge, sondern ihr Vater.
Denn das war der Fremde, daran bestand kein Zweifel. Und zwar nicht, weil er sie an der Hand gehalten hatte, als vielmehr wegen des Gleichklangs ihrer Bewegungen und des Tonfalls. Schön, so viel wusste er also, und weiter? Der Fremde war ein Vater, der plötzlich aufgetaucht war, seltsam lief und über Katzen sprach, die gleich nach seiner Ankunft verschwanden. Dessen Interesse so weit ging, dass er sich sogar den alten Bismarck in den Arm drücken ließ. Obwohl er und davon brachten Serrano keine zehn angebratene Schnitzel ab, denn er hatte es in seinen Augen gelesen Katzen nicht mochte. Und der seinerseits von Nils mit Argwohn betrachtet wurde.
Serrano rupfte eine frühe Jasminblüte von einem Busch nahe der Kirche und zerkaute sie langsam. Bald darauf wurde sein Kopf von einer angenehmen Leichtigkeit geflutet. Er wusste, dass diese nicht lange anhalten würde, und mehr als zwei Blüten verursachten ihm Übelkeit. Aber sie würde ihn über die nächste halbe Stunde bringen, mehr verlangte er nicht.
Heiter schwebte er zum Pfarrhaus hinüber, sah, dass Cäsars Napf halbleer war, was ihm ein gutes Zeichen schien, dann machte er sich auf den Weg in die Lennestraße zu Mathilda.
»Dein Handy klingelt.« Liebermann wurde rot. »Willst du nicht rangehen? Vielleicht ist es einer deiner Autoren.«
»Ich rufe später zurück.«
»Wie du willst«, sagte Nico und schob ihm über den Rand ihres Kofferraums ein in Decken geschlagenes Paket zu. »Meinst du, du schaffst das?«
»Na, hör mal!«, sagte Liebermann. »Du schleppst sie schließlich auch.«
»Aber ich hab’s nicht am Rücken.« Liebermann warf Nico einen beleidigten Blick zu und hob das Paket an. Im nächsten Moment knickten seine Beine ein. Aus seinen Poren brach der Schweiß. Nico betrachtete ihn besorgt. »Ich finde es toll, dass du mir hilfst, aber ich will nicht unbedingt schuld an deiner vorzeitigen Pensionierung sein ... Außerdem ...«
»Was?«
Sie schüttelte den Kopf. Vor ihrer Wohnungstür setzten sie die Pakete ab. Sie schloss auf, und Liebermann wankte ins Wohnzimmer, wo er sich auf das rote Sofa fallen ließ. Einatmen. Geschirrgeklapper nebenan. Ausatmen. Unter der Zimmerdecke zog sich ein Stuckfries entlang, dessen Blütenornamente unter den Farbschichten der letzten hundert Jahre teilweise verborgen lagen. Einatmen.
Liebermann drehte sich auf die Seite.
Auf dem Tisch unter dem Fenster lag, wie schon beim letzten Mal, Nicos Fotoausrüstung. Sie hatte ihm erklärt, dass die Rahmen für eine Ausstellung im Katinka bestimmt waren, in der unter anderem Hamlet der Hausmeister hängen sollte. »Jürgen hat sich eine Stammkundengalerie zum fünfjährigen Kneipenjubiläum gewünscht.«
»Hamlet als Stammkunde im Katinka?«
»Stammkunden und als was sie sich sehen, wenn sie drei Bier getrunken haben.«
In der Küche rauschte der Wasserhahn. Liebermann fragte sich, ob Nicos Abfluss inzwischen wieder intakt war, und schraubte sich hoch. Das Sofa war zu weich. Er hinkte zur Fotoausrüstung hinüber. Schweres Zeug, teures Zeug, vermutlich. Bis auf die Digitalkamera, die kaum mehr wog als eine gefüllte Zigarettenpackung. Während er dem Pfeifen lauschte, das den Wasserhahn abgelöst hatte, spielte Liebermann damit herum, ließ geräuschlos den Zoom ausfahren und gestattete sich schließlich einen neugierigen Blick in den Speicher. Zu seiner Überraschung traf er dort auf die Bärmanns. Die ganze Familie, einschließlich Ralph und seines Erstgeborenen, dem er seine Rolle als Prinz des Kindergartens verdankte. Es war eine friedliche Szene. Oder, verbesserte sich Liebermann, als er die nächsten fünf Bilder zurücklaufen ließ, wohl eher eine Serie. Die zeigte, wie drei von vier Säuglingen von ihrer ätherischen Mutter nacheinander auf dem Sofa gewickelt wurden, während Ralph und sein ältester Sohn Pferd spielten. Ein Scheppern aus der Küche.
»Mist!«
Liebermann ließ die Kamera sinken. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Nur eine Tasse!«
Die Liebermann Zeit gab, die Bilder weiter zu studieren. Offenbar war Nico mit den Bärmanns ziemlich vertraut, wenn sie ihr gestatteten, solche intimen Bilder zu machen. Natürlich, dachte er, sie war ihre Hebamme, sie hatte viel Intimeres gesehen. Trotzdem war hier etwas, das ihm eigentümlich vorkam. Liebermann betrachtete sie eins nach dem anderen noch einmal. Vielleicht das Licht? Der Abstand? Der Winkel? Die beiden weißen Flusen, die durch die
Weitere Kostenlose Bücher