Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Luft schwebten? Die Flusen: noch mal von vorn. Wenn nacheinander drei Babys gewickelt worden waren, sollten sich die Flusen bereits nach dem ersten Bild gesetzt haben. Hatten sie aber nicht. Sie hingen vom ersten bis zum letzten an exakt derselben Stelle, links neben einem überfüllten Bücherregal. Was bedeutete, dass es keine Flusen waren.
Liebermann zögerte. Neugier stand gegen Diskretion.
Er könnte Nico fragen, das wäre das Einfachste. Und dabei zugeben, dass er in ihren Sachen gestöbert hatte. Oder einmal eine Frage unbeantwortet lassen. Was gingen ihn schließlich Nicos Privatvergnügen an. Nichts, dachte Liebermann und ließ die Speicherkarte der Kamera in seine Hosentasche gleiten.
Als Nico mit dem Kaffee kam, hielt Liebermann das Telefon in der Hand. Uwe hatte zwei Flüche und eine Information hinterlassen. Eine recht interessante. Berlich kündigte also eine Ausstellung in der Galerie des Mannes an, dessen Frau seine Geliebte war. Das brachte Liebermann darauf, dass er Olbinghaus längst einmal persönlich hätte kennenlernen sollen.
»Arbeit?«
»Ja.«
»Ein Autor?«
»Hm.«
»Ich würde gern mal ein Buch lesen, das du lektoriert hast«, sagte Nico und stellte das Tablett auf den Couchtisch. »Gibt es etwas von diesem Autor zu kaufen?«
»Bald«, murmelte Liebermann, mit Blick auf ihre Beine, die heute in braunen Kordhosen steckten. Dazu ein brauner Kordrock. Liebermann fand die Kombination immer noch eigenwillig, aber er musste zugeben, dass er sich Nico mittlerweile nicht mehr anders vorstellen konnte. Er ließ sich auf einem Sessel nieder. Sie auf dem Sofa.
»Wie heißt er?«
Liebermann fuhr sich mit dem Arm übers Gesicht, um eventuelle Reste von Schweiß abzuwischen und seine Verlegenheit zu verbergen. Ein Name, er brauchte einen Namen, möglichst einen, den er beim nächsten Gespräch nicht schon wieder vergessen hatte.
»Uwe Schüler«, sagte er. »Er ist ein ... äh ... vielversprechender Debütant. Preisträger von Wettbewerben und so was. Das Übliche.«
»Ich weiß nicht, was bei euch das Übliche ist. Woran schreibt er denn gerade?«
Liebermann ging die Puste aus. Er hatte sich das Lügen nicht so anstrengend vorgestellt. Andererseits kam ihm die Wahrheit gerade auch ziemlich anstrengend vor.
»An einem Roman.«
Nicos Mund kräuselte sich. »Tatsächlich! In dem es um was noch mal geht?«
»Du bist hartnäckig.«
»Du bist störrisch! Warum lässt du dir jedes Wort aus der Nase ziehen? Ist der Inhalt dieses Romans ein Geheimnis, wegen der Urheberrechte oder so? Na gut. Dann sag mir wenigstens das Genre!«
»Krimi.« Es kam schneller, als Liebermann lieb war.
»Wow!«
Liebermann trank seine Tasse aus und beschloss zu gehen. Doch noch bevor er aufgestanden war, hatte Nico ihm nachgeschenkt.
»Ich will gar nicht alles bis zum letzten i-Tüpfelchen wissen. Nur so im Groben: Wo spielt dieser Krimi, und wer ...
»Nicht zu fassen. Du bist schlimmer als Marion!«
»Wer?«
»Die Frau vom Jugendamt!«, sagte Liebermann matt. »Na schön. Aber der Roman ist noch unfertig, und ich weiß auch nicht, was der Autor, also Herr Schüler, in letzter Zeit für Veränderungen vorgenommen hat.«
»Egal.«
Liebermann seufzte.
Dann tastete er sich behutsam in ein Gebiet voller Fallen und Minen vor, die er selbst gelegt hatte. Er gab sich die größte Mühe, weder Ortsbezeichnungen noch Namen zu nennen. Aus dem geplanten Interview mit den Bärmanns machte er kurzerhand eins mit einem Lottogewinner. Aus dem Cabrio eine Limousine. Der Geliebte blieb, arbeitete aber beim Rundfunk, eine Idee, auf die Liebermann einigermaßen stolz war, der alte Olbinghaus mutierte zum Inhaber einer Supermarktkette.
Nach den ersten Sätzen stand er auf und begann aus alter Gewohnheit, auf und ab zu wandern.
Er stellte fest, dass es gut war, die Geschichte des Engels einmal im Zusammenhang zu erzählen. Denn dabei fielen ihm wieder all die kleinen Merkwürdigkeiten auf, die sein Verschwinden begleiteten, die aber in den Turbulenzen der letzten Tage untergegangen waren. Der geplatzte Interviewtermin, das Rheinsberger Tuten und Rauschen im Ohr ihres Mannes, das mit einer rot-gelben Rose geschmückte Cabrio, das bis tief in die Nacht unter seinem Balkon gestanden hatte, die verschwundene Plane und das Faltboot. Dazu ein verheirateter Geliebter und eine Praktikantin der Illustrierten, die zu frisch im Geschäft gewesen war, um Hans Olbinghaus fachgerecht zu belügen. Was davon stand in Zusammenhang mit
Weitere Kostenlose Bücher