Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Charlottes unerklärlicher Abwesenheit und was nicht? Er kam sich vor wie ein Spieler, der zwar jede Menge Karten in der Hand hielt, aber ein unsortiertes Blatt mit einem Haufen Luschen darunter. Eine zeigte einen Buben, der sich kürzlich von seiner Geliebten getrennt hatte, oder sie sich von ihm. Oder gar nichts von beiden. Auf jeden Fall hatte sie sich ein neues Äußeres zugelegt. Und plötzlich überkam Liebermann wie ein Schluckauf die Ahnung, dass die Geschichte vorn und hinten nicht stimmte.
Er fuhr sich durch die Haare und sah sich nach Nico um. Sie saß, die Hände im Schoß zusammengelegt, auf dem Sofa und blickte aufmerksam zu ihm empor. Liebermann zwang sich zu einem Lächeln. »Weiter ist er noch nicht. Er hat sich in seinen falschen Fährten verheddert. Das passiert, wenn man auf mehreren Ebenen gleichzeitig denken muss.«
»Die Frau ist tot, nicht wahr?«
Die nüchterne Art, in der Nico sprach, schockierte ihn fast mehr als die Frage selbst. »Wie kommst du darauf?«
Sie lächelte. »Du hast gesagt, es ist ein Krimi.«
»Ah, ja.«
»Und, wer war’s?«
»Was würdest du sagen?«
»Ihr Mann«, antwortete Nico wie aus der Pistole geschossen.
»Ihr Mann?«, fragte Liebermann erstaunt. »Warum?«
»Was weiß ich? Aus Eifersucht. Warum hat er dem Kommissar verschwiegen, dass er von der Liaison seiner Frau wusste? Wenn er ständig in der Redaktion anrief, muss er doch einen Verdacht gehabt haben. Und dann noch die Praktikantin: Sie sagt ihm, seine Frau sei nach Hause gegangen, wo sie aber nicht ankommt, weil sie wie jeden Mittwoch mit ihrem Freund unterwegs ist. Sie trudelt also erst viel später zu Hause ein und erzählt ihm, wie mit ihren Kolleginnen verabredet, sie habe noch einen Interviewtermin gehabt. Also ich würde da stutzig werden. Aber der Mann erwähnt seinen Verdacht gegenüber der Polizei nicht, obwohl er sie so schnell aufsucht, dass man auf große Sorge schließen muss.«
Liebermann versteinerte.
»Tja, oder es war der Radiotyp«, überlegte Nico weiter. »Die Frau war mit ihrer Rolle als Liebhaberin nicht mehr zufrieden, und er hat Angst bekommen, dass sie seine Ehe zerstört.« Sie schürzte die Lippen. »Nein. Ich bleibe beim Ehemann.«
Etwas klimperte auf den Boden, vielleicht ein Löffel. Nico scherte sich nicht darum, aber Liebermann riss es aus seinen Gedanken.
»Richtig oder falsch?«
»Das ... steht noch nicht so genau fest.«
»Was?« Sie verzog das Gesicht. »Wie kann es denn eine Leiche ohne Mörder geben?«
»Herzinfarkt«, sagte Liebermann. »Selbstmord oder Unfall. Egal, hör nicht hin, ich rede nur so daher, weil mir etwas eingefallen ist. Ich glaube, ich muss dringend einen Blick in das Manuskript von Herrn Schüler werfen. Danke für den Kaffee. Ich revanchiere mich.«
»Schenk uns Miri heute Nachmittag!«
»Gern, aber das ist eher ein Grund für eine doppelte Revanche.«
»Dann lass dir was einfallen«, sagte Nico, und ihre Augen blitzten.
Noch auf der Treppe riss Liebermann das Handy aus der Tasche. Er ließ Uwe nicht einmal die Zeit, sich zu melden.
»Ich will noch einmal wortwörtlich wissen, was Olbinghaus am Telefon zu dir gesagt hat! Ich will wortwörtlich wissen, was er zu den Wilmersdorfern gesagt hat, als er seine Anzeige aufgegeben hat! Herrgott, muss ich mich erst von wildfremden Leuten darauf stoßen lassen, dass er dem Verhältnis seiner Frau mit Berlich nicht blind gegenübergestanden haben kann? Weiter: Hast du diesen ominösen letzten Anruf überhaupt überprüft? Woher wollen wir wissen, dass die Geschichte mit dem Wellenrauschen nicht hanebüchener Unsinn ist? Was, wenn er selbst das Cabrio um halb zwölf oder später weggefahren hat? Wenn hinter der Vermisstengeschichte etwas ganz anderes steckt. Was macht ihr überhaupt den ganzen Tag?«
»Ich hab den Kasten angeschlossen«, sagte eine tiefe Stimme.
Liebermann starrte auf sein Handy. »Wer ist da?«
»Arnie«, brummte Arnie. »Könnt loslegen.«
»Wo ist Uwe?«
»Kaffeemaschine kaufen.«
»Spinnt der? Marion?«
»Gucken«, sagte Arnie nach einer Bedenkpause.
»Lass sein. Was für einen Kasten meinst du?«
»Den Computer. Mit der Festplatte von dieser Journalistin.«
»Gut.« Wenigstens etwas. »Wenn Uwe wiederkommt, sag ihm ...«
»Sag’s ihm selber.« Im nächsten Moment hatte Liebermann seinen etwas abgehetzten, aber gutgelaunten Stellvertreter im Ohr.
»Entschuldigung. Der Automat ist auch kaputt. Ich zieh’s von der Mittagspause ab.«
»Ich hoffe, es hat sich
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