Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
Raum stand, und ließ sich aufs Sofa fallen.
»Habt ihr gestritten?«, fragte Liebermann.
Nico durchbohrte ihn mit ihren Schieferaugen. »Nach was sieht es denn aus?«
Trotz einer leichten Spannung in der Luft und Nicos Maulfaulheit wurde es ein gelungenes Mahl. Liebermann ließ sich von den jugendlichen Köchinnen jeden Schritt der Zubereitung ihres Coq au miel, das Miri »Kokomiel« nannte, erläutern, bewunderte die goldene Kruste, die zart glasierten Bohnen und verfügte sich zwischendurch auf die Toilette, um bei der Gelegenheit die Speicherkarte wieder in Nicos Kamera zu schieben. Bei seiner Rückkehr fragte Zyra, ob Miri über Nacht bleiben dürfe.
»Das kann ich allein nicht beantworten.«
Nico trank einen Schluck Wein. »Warum nicht, ich habe schließlich auch allein darauf geantwortet.«
Sie deckten zusammen ab. Dann verabschiedete sich Liebermann, um Miris Zahnbürste und Schlafanzug zu holen. An der Tür drückte Nico ihm einen Teller in die Hand. »Ich bin mit Bismarcks Hering im Verzug. Könntest du ihm den bringen?«
Liebermann, der sein Lebtag lang unter unüberwindbarem Ekel vor jeder Art von Fisch litt, nahm widerstrebend den Teller und balancierte ihn die Treppe hinunter, bemüht, möglichst wenig vom tranigen Aroma seiner Fracht einzuatmen. Dabei versuchte er, der eigenartigen Stimmung auf den Grund zu kommen, die ihn gefangen hielt. Noch als er bei Nico geklingelt hatte, war er guter Dinge gewesen. Der Tag hatte ihm allerhand Denkstoff beschert, und er war noch nicht zu Ende. In ungefähr einer Stunde würden die Berlichs die Tür öffnen und davor eine junge Frau finden, die ein Bild kaufen wollte. Liebermann hatte Marion perfekt vorbereitet. Er hatte sie sogar losgeschickt, um rote Haartönung zu kaufen, damit sie sich schon bei der Begrüßung in Stefan Berlichs Augen bohrte. Daran lag es nicht. Es schien ein Teil der Stimmung aus Nicos Wohnzimmer auf ihn übergegangen zu sein.
Nils war abgehauen. Und Nico hatte ihm nachgerufen, dass dies hier keins seiner Spielchen sei. Liebermann trat aus der Tür und blieb stehen.
Im Inneren des Fliederbusches flimmerten zwei grünliche Punkte. Hungrig oder argwöhnisch. Beides, vermutlich. Der pensionierte Kater mochte sich noch an seinen Flug auf den Mulchsack erinnern.
Jederzeit einen Prankenhieb fürchtend, ging Liebermann in die Knie und schob die Schüssel, so weit er konnte, in den Busch hinein.
Die grünen Punkte verfolgten seine Bewegungen. Als er den Arm wieder zurückzog, meinte Liebermann, eine Veränderung zu bemerken. Als ob das Schwefelgrün in ein Schwefelgelb überging. Aber all das waren nur Überlegungen, die ihn von seiner Hauptfrage abzulenken versuchten. Was hatte Nico mit Spielchen gemeint, die keine waren?
»Willst du jetzt jeden Abend so ein Theater machen? Versuch nicht, mir zu imponieren, indem du auf deine alten Tage noch zum Moralisten wirst, indem du der Menschen Gaben verschmähst. Und deinem Hering ist es auch egal.« »Witzbold«, knurrte Bismarck und starrte weiter auf den Fisch, als versuche er, etwas in dessen matter Haut zu lesen. Sein Atem ging schwer.
»Alles in Ordnung?«, fragte Serrano.
»Wenn du damit meinst, ob alle Haare an ihrem Platz sind: ja. Fragst du, ob dieser Tag seinen Weg ohne Störungen genommen hat: nein.«
»Ich gehe einen Schritt weiter und frage nach der Art dieser Störungen.«
Bismarck warf ihm einen raschen und, wie es Serrano schien, anerkennenden Blick zu. »Genau genommen gab es zwei. Die letzte liegt hier vor uns.«
Serrano sah auf den Fisch.
»Was ist mit dem? Er sieht aus wie seine Vorgänger, nur etwas größer.«
»Das meine ich nicht. Ich meine die Art und Weise, wie er zu mir gelangt ist.«
»Aha. Und wie?«
»Zu spät. Viel zu spät. Aber gut. Das wirft mich nicht um, obwohl ich zugeben muss, dass mein Magen auf feste Zeiten eingestellt ist. Er wird unbequem, wenn man sich nicht daran hält.«
»Dann erlöse ihn doch endlich!«
»Hast du nicht zugehört? Es ist zu spät! Schlimmer, als einen Magen warten zu lassen, ist, ihn zu überfallen. Außerdem kann ich nicht gleichzeitig essen und denken. Zum Beispiel daran, dass Nils vor einer guten Weile ins Haus hinein- und wieder herausgegangen ist. Mag sein, dass er die Heringsfrau aufgehalten hat. In dem Fall hätte sie ihm den Hering aber mitgeben können, nicht wahr? Stattdessen ging wieder eine Ewigkeit ins Land, und dann kam er.«
»Er?«
»Der Fremde.«
Serrano straffte sich. Willst du, dass er die Nächsten
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