Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
fügte er hinzu.
Nico erwiderte nichts, sondern trank. »Hattest du Erfolg beim Verlag?«
Liebermann bewegte den Kopf so, dass man es als Nicken auslegen konnte, und wartete beklommen auf Folgefragen. Aber Nico war mit den Gedanken schon wieder woanders. Sie kam ihm blass vor. Trotz des Weins. Blass und traurig und sehr kindlich, mit ihren zusammengepressten Knien.
Plötzlich verspürte Liebermann das Bedürfnis, auf sie aufzupassen, damit niemand sie durch ein grobes Wort verletzte oder ordinär angrinste.
Der Anblick von Charlotte Olbinghaus vor fünf Tagen hatte eine gänzlich andere Wirkung auf ihn gehabt. Eine sehr unmittelbare, besonders auf bestimmte Regionen seines Körpers. Wenn Liebermann ihr Foto ansah, regte sich dort manchmal noch immer etwas, aber er ahnte, dass es nicht mehr als ein letztes Aufzucken war, eine kleine Reizung der Synapsen. Der heiße Teil ihrer fiktiven Beziehung hatte sich vor der Lektüre ihres Tagebuchs abgespielt. Und jetzt saß dort dieses Mädchen mit den Lachgrübchen, völlig frei von jeder Heiterkeit, und schwieg sich aus.
Er stand auf und nahm sie in die Arme. Es war ein etwas schwieriges Unterfangen, weil er gezwungen war, sich vor Nico hinzuhocken, aber er war froh, dass sie es zuließ. Kurz darauf sank ihr Kopf auf seine Schulter.
»Was ist das bloß?«, murmelte sie.
Sie würde doch keine Sinnkrise durchmachen, fragte Liebermann sich erschrocken. Soweit er sich erinnerte, hatten sich die seinen zwischen seinem vierzehnten und achtzehnten Lebensjahr abgespielt. Und dann noch einmal vor ungefähr drei Jahren. Aber warum nicht, Menschen waren eben unterschiedlich.
»Hattest du einen anstrengenden Tag?«
»Eigentlich nicht. Nur eine Brustentzündung.«
»Lilly Bärmann.«
Ihr Kopf auf seiner Schulter bewegte sich. »Woher weißt du das?«
»Du bist Hebamme. Du hast zu Ralph gesagt, dass du Lilly bei ihrer Mutter besuchen würdest. Sie solle ihre Packungen auflegen. Meine Frau hat sich nach Miris Geburt Quarkpackungen auf die Brüste gelegt, wenn sie entzündet waren. Eine einfache Rechnung. Wie geht es ihr?«
»Den Umständen entsprechend.« Sie löste sich von ihm und trank, ohne ihn anzusehen, auch das zweite Glas aus.
Liebermann sah ihr ein wenig besorgt dabei zu. Dann fragte er: »Welche >Umstände< meinst du?«
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort.
»Postnatale Depression, vier Säuglinge und sonstiger Stress. Und jetzt möchte ich nicht mehr über Arbeit reden.«
»Ich auch nicht. Also reden wir über was anderes.«
»Kinder?«, fragte Nico und lächelte endlich wieder.
»Meinetwegen. Oder Katzen.«
Katzen waren auch das Erste, dem Marion in Potsdam-West begegnete.
Sie hob rasch den rechten Absatz von etwas, das sie fälschlicherweise für Kopfsteinpflaster gehalten hatte, und sah einen jaulenden Schatten davonwischen. Das begann ja vielversprechend!
»Willst du einen Apfel kennenlernen, mach es wie der Wurm«, hatte Liebermann gesagt. »Arbeite dich von der Schale bis zum Kern vor.«
Uwes Einwand: »Wenn ich den Apfel aufschneide, sehe ich auch alles, sogar den Wurm«, hatte er nicht gelten lassen. »Nein! Du siehst wieder nur einen Teil, nämlich die Schnittflächen. Der Wurm dagegen fühlt den Apfel mit jedem Ringmuskel, denn er umgibt ihn völlig. Nun: Stefan Berlich ist ein glattes, gewachstes, rotbackiges Exemplar. Vielleicht im Kern vergiftet, so was sieht man nicht. Wenn wir ihn aufschneiden, werden sich uns stets zwei weiße, makellose Schnittflächen zeigen. Wir werden also einen Wurm in ihn bohren, und dieser Wurm ist Marion eine junge Frau, die es sich in den Kopf gesetzt hat, ein Bild von Iljana Karuleit zu erwerben.«
»Muss ich mir unbedingt die Haare färben?«, hatte Marion gefragt. »Künstliches Rot ist so ordinär.«
Liebermann hatte gelächelt. »Ach, mir ist nur aufgefallen, dass Rot sowohl die Haarfarbe von Charlotte Olbinghaus als auch die von Iljana Karuleit ist, zumindest auf dem Foto in Olbinghaus’ Katalog. Schaden kann es jedenfalls nicht, es ist eine Signalfarbe. Und ich glaube, es wird dir stehen.«
Um die Signalwirkung noch zu erhöhen, zog Marion vor dem Berlich’schen Anwesen ihren Lippenstift nach und versuchte ein Lächeln. Sie fühlte sich furchtbar.
Susanne Berlich sah die Frau mit den flammenden Haaren und seufzte. Wieder ein Abend futsch. Na gut, aber wenigstens kam sie hierher, statt Stefan irgendwohin zu locken. Ihre Absichten schienen ehrenhaft was für ein Wort -, nicht wie die dieser aufgeblasenen
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