Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
wegschnappt? Nein, das wollte er nicht, und schon gar nicht diesen hier, den stolzen Alten mit dem hässlichsten Fell der Gegend.
»Ich finde, du solltest eine Weile von hier verschwinden. Je eher, desto besser.«
Bismarck sah ihn ungnädig an. »So, sollte ich?«
Serrano holte tief Luft und setzte zu einer Antwort an. Erst in letzter Sekunde roch er den Braten: Das Sollen-soll-niemand-können-können-viele-Spiel! Bismarck ließ keine Gelegenheit dafür aus, nicht einmal in einer Lage wie dieser. Denn die Lage war ihm völlig bewusst, wie ihm plötzlich klarwurde. Kein Schreck, kein Erstaunen, nicht einmal die Frage nach einem Warum weil Bismarck es wusste.
»Ja«, sagte Serrano. »Dir und ... mir zuliebe. Und ich sag dir auch, warum.«
In groben bis detaillierten Zügen berichtete er von seinen Erlebnissen auf dem Spielplatz, bei Mathilda, Maja und nach kurzer Überlegung in Aurelias Hof.
Er unterbrach nur, als der Fremde über die Straße kam und gleich darauf im Haus verschwand. Die Kater wechselten einen bedeutungsvollen Blick.
»Du hattest vollkommen recht«, gab Serrano zu. »Du hast ihn von Anfang an durchschaut. Wie machst du das?«
Der Alte beendete mühsam einen Atemzug. »Meine Augen lassen nach«, krächzte er. »Das ist praktisch, denn dadurch fällt das ganze überflüssige Zeug weg. Versuch mal, nur auf Bewegungen zu achten, du wirst staunen! Der Rest ist Training. Abgesehen davon habe ich nie behauptet, dass der Fremde Katzen fängt. Ich habe gesagt, dass er Unheil bringt, das ist was anderes.«
»Wenn ein Katzenfänger für dich kein Unheil bedeutet, was dann?«
»Dreh mir nicht das Wort im Maul rum! Meinetwegen soll der Fremde auch Katzenfänger sein, aber eins ist wohl klar: Am Freitagabend hat er keine Katze gestohlen. Jedenfalls nicht zwischen dem Vier- und Zehnuhrläuten. Da hat er wie angewachsen auf seinem Balkon gesessen, bis auf ein paar Minuten, in denen er aber nur rein- und nicht rausgegangen ist.«
Serrano sah seinen stolzen Indizienturm wanken. »Und nach zehn?«
Aber er winkte selbst ab nach zehn hatten an Mathildas Junge nur noch zwei Duftflecken unter dem Sofa im Gartenhaus erinnert. War der Bus vom Katinka-Wirt mitsamt Bernhard und dem Schrank längst abgefahren, hatte Maja in Seelenruhe ihren letzten Mutterkuchen gefressen, war Aurelia...«
»Mach dir nichts draus. Ist der Fremde nicht die Lösung, ist er eben der Weg. Bleib an ihm dran. Er fängt langsam an zu rappeln, er bewegt sich, irgendwann wird er wie eine magnetische Nadel ausschlagen. Der ist so einer, zieht das Unheil an, aber wenigstens weiß man dann, wo man es suchen muss. Ich bin müde. Wenn du willst, friss meinen Fisch, aber Vorsicht: vielleicht klebt Unheil dran.«
»Ich bring ihn Krümel«, sagte Serrano, der sich nicht daran erinnern konnte, dass Bismarck je einen Fisch verschmäht hatte, ob mit Unheil paniert oder nicht.
Schon im Fenster, drehte sich der Alte noch mal um ...
»Ehe ich’s vergesse: Der Streuner war vorhin hier.«
Die Nachricht senkte sich wie ein Bleinetz über Serrano. »Er ... ist wieder da?«
»Sieht so aus.«
»Und was wollte er?«
»Morgen«, brummte Bismarck. »Jetzt kriege ich das nicht mehr zusammen.«
Liebermann überführte die Weinflasche und die Gläser ins Wohnzimmer, während Nico den Mädchen ein Lied vorsang. Ihre leise Stimme begleitete seine Schritte und Handgriffe und veränderte seine Stimmung erneut. Sie hatte jetzt etwas Lyrisches. Er fand es beunruhigend, so manipulierbar zu sein.
In wenigen Minuten würde Marion an die Pforten des hoffentlich bis aufs äußerste sensibilisierten Stefan Berlich klopfen, und er selbst trank gemütlich Wein mit einer Frau.
Nico zog sich im Hereinkommen das T-Shirt zurecht.
Mit einer sehr lebendigen, mit einer ziemlich reizvollen, lebendigen Frau, ergänzte Liebermann.
Sie ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich kann jetzt einen Schluck gebrauchen.«
Liebermann reichte ihr ein Glas.
»Na dann, Prost!«
»Salute.« Sie trank ihr Glas in wenigen Zügen leer und schenkte sich nach.
»Tut mir leid, das mit vorhin. Du musst dir wie ein Trottel vorgekommen sein.«
»Wie einer, der in einen Streit geplatzt ist.«
Nico versenkte sich in den Anblick der rot schimmernden Flüssigkeit. Sie zuckte die Achseln. »Manchmal streitet man sich eben.«
»Hätte Gott dem Streit keinen Wert beigemessen, hätte er ihn nicht erfunden«, sagte Liebermann. Himmel, was redete er da? »Man verträgt sich zum Glück auch wieder«,
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