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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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betrachtet er meine Verkleidung.
    «We do a sketch … a funny little clip for a German Late-Night-Show», lüge ich halbwegs überzeugend. Sofern man mich durch den Vollbart überhaupt verstehen kann.
    «Ah, like the thing with the tomatoes?» So ähnlich.
    «Was hast du überhaupt vor? Hier kommen bestimmt so schnell keine Touristen vorbei.»
    Ein Blick in Richtung Strand gibt Wilhelm recht. Statt Strandliegen stehen hier nur noch verlassene Bretterbuden. Kein Wunder, wir sind mit Carlos’ Auto auch ein ganzes Stück vom Zentrum weggefahren. Aber zufällig vom Brisant -Team überrascht zu werden passt mir heute gar nicht ins Konzept.
    «Lauf doch einfach durch die Baracken und lass es so aussehen, als ob du da wohnen würdest», mischt sich Lenny ein. Eigentlich keine schlechte Idee. Die Holzverschläge sehen wirklich abenteuerlich heruntergekommen aus. Gute Location für eine heimlich gefilmte Dealer-Homestory.
    Es dauert ein bisschen, bis Carlos für das Projekt gewonnen werden kann. Sich hinter eine überfüllte Mülltonne zu setzen und extra verwackelte Kamerabilder zu produzieren gehört anscheinend nicht zu seinem Standardrepertoire. Aber verdeckt gefilmte Aufnahmen haben bei meinem Arbeitgeber eine ähnlich hohe Priorität wie Bilder von Überwachungskameras. Ich warte nur auf den Tag, an dem die auch noch bei Pressekonferenzen mit versteckter Kamera drehen.
    Carlos, Lenny und Wilhelm lümmeln hinter dem stinkenden Müllfass wie eine jugendliche Detektivbande auf der Spur von Umweltverbrechern. Fehlt nur noch, dass sie gleich einen ungehobelten Typen überraschen, der gelbe Fässer in einem lieblichen Weiher versenkt. Keine Jugendserie ohne die obligatorische Ökofolge.
    Müde schlurfe ich durch den heißen Sand zu den verwegenen Hütten. In irgendeine muss ich jetzt rein, damit Carlos filmen kann, wie ich rauskomme. Kein kompliziertes Drehbuch. Ich öffne eine Holztür, die weder knarrt noch knarzt. Außerhalb von Krimis soll so was ja durchaus vorkommen. Drinnen sieht es dann aber doch wieder aus wie im Krimi. Es ist dunkel, in einer Ecke liegt eine dreckige Matratze, in einer anderen stapeln sich Plastiktüten. Ob hier mal jemand gewohnt hat? Zehn Quadratmeter, kein Strom, bisschen wacklig gebaut – in Köln würde das ganz schnell zum Seminarraum für 30 Studenten.
    «Max, du kannst!», höre ich Lenny aus der Ferne schreien. Doch dann höre ich noch was anderes. Schritte. Und zwar ganz und gar nicht aus der Mülltonnenrichtung. Nicht, dass hier doch jemand wohnt. Besitzer solcher Unterkünfte begegnen Delikten wie Hausfriedensbruch gerne mit Gegendelikten wie schwerer Körperverletzung oder Totschlag im Affekt. Erst jetzt bemerke ich ein großes Loch in der Wand. Da kann man wohl direkt in die nächste Hütte schauen.
    Vorsichtig schiebe ich meinen Kopf an die Öffnung. Oh Fuck. In meiner kühnsten Vorstellung hätte ich mit einer stillenden Räubersfrau gerechnet, deren Mann an einem Tisch Portemonnaies zählt. Stattdessen blicke ich in eine beängstigende Zahl Augenpaare. Ich kann die nicht mal zählen. Fünf? Sechs? Dreizehn? Auf jeden Fall Nordafrikaner. Und auch ein paar Schwarzafrikaner. Bei denen sehen die Augen noch weißer und gefährlicher aus. Wahrscheinlich eine optische Täuschung wegen des Kontrasts. Wie mit den unterschiedlich großen Balken, die am Ende doch immer gleich groß sind. Sind das Dinge, über die man sich in so einer Situation Gedanken machen sollte? Irgendwie ist mein Gehirn falsch programmiert.
    «Sorry, I just wanted to …» Konflikte offensiv angehen! «Is this for rent?»
    Vorsichtig blicke ich durch den Raum. Überall stehen Kisten mit Sonnenbrillen und Billigschmuck.
    «Es él, es él!», ruft einer seiner Mannschaft zu. Ich glaube, es geht um mich. «Es el traficante, el del video!»
    Das klingt nicht gut. Traffic war doch mal so ein Drogenfilm mit Michael Douglas. Und Video heißt Video. Im schlimmsten Fall geht es um das Video. Plötzlich schießt mir eine von Oswalds Fragen durch den Kopf. «Wie wirkt sich Ihr Produkt auf das Geschäft anderer Marktteilnehmer aus?» Darüber habe ich nie nachgedacht. Sofern die Produktpalette der Jungs so umfangreich ist wie die der Straßenhändler in Barcelona, habe ich denen das Geschäft wohl gewaltig vermasselt. Wer nach dem Medienaufgebot hier noch Marihuana vertickt, versucht es wahrscheinlich auch bei der Weihnachtsfeier der Polizeigewerkschaft. Obwohl: Latino-Owen würde die bestimmt reinlassen. Wenn sie lange genug

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