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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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Outback gedonnert bin. Nur konnte mir bei Need for Speed II nicht mehr passieren als ein Computerabsturz.
    Nervös schaue ich in den Rückspiegel. Wir sind inzwischen schon aus dem Zentrum raus, aber der alte VW verfolgt uns noch immer. Wenn die wüssten, dass wir überhaupt nicht vorhaben, jemals wieder ihren Stall zu beschmutzen. Meinetwegen können die die Hühner hier vollpumpen, womit sie wollen. Und spätestens beim nächsten Waldbrand in Südspanien zieht auch der Medienzirkus weiter.
    «Es ist Rot! Red! Rojo!», ruft Wilhelm von der Rückbank. Carlos brettert auf die Kreuzung vor uns zu, als sei es die Ziellinie.
    «Not for us», raunt er mit der Coolness von Vin Diesel in The Fast and the Furious und den Schweißflecken von Angela Merkel in Bayreuth.
    «Okay, Freunde, vielleicht überlebt irgendwer von uns den Scheiß hier. Dann klärt der die Sachen, die bei den anderen so liegen geblieben sind die letzten Monate, okay?», wirft Lenny hastig ein.
    «Klar, ich sag Sarah, Chiara, Mona, Klara, Isa, Dani, Verena, Franzi, Marina, Jeanne und Claudi Bescheid», rattere ich runter. Kein besonders schöner letzter Satz vor dem Tod.
    «Nee, mein Schreibtisch müsste mal wieder gewachst werden. Und mit Mona hatte ich nichts!»
    Noch 50 Meter bis zur Kreuzung. Ich brauch jetzt prophylaktisch zitierfähige letzte Worte. So was wie Goethes «Mehr Licht!» oder William Wallaces «Freedom!». Das macht sich allein schon im Nachruf ganz gut.
    «Wenn aus einer Raupe ein Schmetterling …»
    «Halt die Klappe, Max!», unterbricht mich Lenny.
    «What happen?», fragt Carlos.
    Zu spät. Mit 160 Stundenkilometern fliegen wir über die Kreuzung. Weiß. Mamas Lachen. Das Baumhaus mit Opa. Sophias Kuss auf der Tischtennisplatte. Der Campingplatz in Dänemark. Hip-Hop-Jam mit der Gießkanne. Moment, ich habe nie mit Opa ein Baumhaus gebaut. Selbst im Tunnel lüge ich mich noch an. Dann mache ich die Augen wieder auf. Wir haben es geschafft. Alle vier schauen gebannt in den Rückspiegel, als würde dort ein WM-Finale übertragen. Der Wagen hinter uns bremst vor der Kreuzung stark ab und bleibt stehen.
    «Wuhu! Carlos! You are the best!», sagt Lenny und klopft unserem spanischen Actionheld anerkennend von hinten auf die Schulter. Es sind Sekunden der grenzenlosen Freude, Dankbarkeit und Freiheit. Aber es sind nur Sekunden. Von unseren Verfolgern werden wir vermutlich nicht mehr eingeholt, von der Realität schon. Direkt vor uns steht ein Polizeiauto am Fahrbahnrand. Ein Mann mit Uniform und Sonnenbrille winkt uns bestimmt von der Piste. Die Wasim-Gang hatte vermutlich nicht weniger Mut, sondern mehr Weitblick.
    «This is a problem», muss auch Carlos zugeben, als wir schweißgebadet anhalten. Wobei mir ein Strafzettel im Vergleich dann doch wesentlich lieber ist als ein Grabstein. Im Schritttempo fährt die Afrika-Connection an uns vorbei. Als der Polizist nicht hinschaut, werden uns zwei Mittelfinger, ein ausgefahrenes Klappmesser und eine Kopf-ab-Geste präsentiert. Ich löse das Bilderrätsel und sage: «Wenn du noch einmal in unsere Hood kommst, dann ist dein Hals aber eine nach oben offene Wunde.»
    Langsam kurbelt Carlos die Scheibe runter. Der Polizist beugt sich zu uns. Cool bleiben. Ich drehe mich leicht weg und versuche, unauffällig zu wirken. Unauffällig schauen, unauffällig atmen, unauffällig bewegen. Jeder, der mal mit fünfzehn in der Schlange vor der Disco stand, kennt das. Und weiß, wie hoffnungslos es ist. Ich lege einen Arm unauffällig angewinkelt auf die Fensterbank. Und was mache ich mit dem anderen? Lieber beide unauffällig auf die Oberschenkel. Ist das zu auffällig? Schaue ich jetzt schon zu lange aus dem Fenster? Und atmen müsste ich auch mal wieder unauffällig. Arme vielleicht verschränkt? Und ganz langsam unauffällig den Blick zum Polizisten gleiten lassen? Ich fürchte, ich wirke wie ein hyperventilierender Laufradhamster mit ADS. Ins Groove kam ich so nie rein. Aber dieses Mal geht es auch nicht um meinen Perso, sondern um Carlos Führerschein. Dass wir damals zu Hause aber auch nur diesen blöden Schwarzweißdrucker hatten.
    «Max, wir sollen aussteigen», flüstert mir Wilhelm von hinten zu. «Der hat gesagt, die sind auf der Suche nach den Tiefgaragendealern.»
    Jetzt also auch noch die Spanier. Unauffällig steige ich aus dem Auto. Der Polizist mustert verbissen das leere Auto, öffnet das Handschuhfach, sieht sogar unter den Sitzen nach. Er ist entspannungstechnisch wesentlich weiter

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