Kates Geheimnis
Rücken so laut getratscht wurde, dass sie es hören konnte. Sie straffte die Schultern und wollte gehen.
»Sie hat nicht die leiseste Chance, sich den Collinsworth-Erben zu angeln. Edward Sheldon würde niemals so weit unter seinem Stande heiraten, und selbst wenn er das wollte, würde sein Vater es nicht zulassen.«
387
Kate drehte sich um und stand vor zwei schwerfälligen älteren Damen, die dick mit Diamanten behängt waren. »Wer ist Collinsworth?«, fragte sie barsch, plötzlich von Panik erfasst.
»Collinsworth?« Die weißhaarige Dame lächelte sie an. »Nun, er ist einer der reichsten Grafen des Landes, meine Liebe. Und sein Sohn, Edward Sheldon, der Viscount Braxton, ist sein Erbe. Wurden Sie einander nicht vorgestellt?«
Kate starrte sie blicklos an. Ihr Herz schlug ohrenbetäubend. Viscount Braxton ... Collinsworths Erbe ... der wohlhabendste Graf des Landes. Nein.
Alles würde gut werden, das würde es, denn sie glaubte an die wahre Liebe, und sie hatte soeben gefunden, wonach sie ihr ganzes Leben lang gesucht hatte.
Kate wandte sich um.
Edward beobachtete sie, und er wusste offenbar, dass etwas nicht stimmte. Sein Blick war besorgt und fragend.
Und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte, Kate hätte nicht lächeln können. Aber sie konnte auch nicht mehr von dem Abgrund zurücktreten, an dem sie jetzt stand. So verlangte es ihr Herz.
388
Dreizehn
S ie erreichten York gegen Abend. Alex parkte den Lamborghini vor dem Ole Whistler Pub, einem alten Gebäude mit hölzernen Balken, das zwischen den großen Backsteingebäuden fehl am Platze wirkte.
Die Passanten auf dem Bürgersteig bewunderten mit großen Augen den silbernen Wagen, als sie ausstiegen. Eine Gruppe schmuddeliger jugendlicher in Jeans und Lederjacken, mit Zigaretten im Mundwinkel, hatte sich nach ihnen umgedreht. Jill musste immerzu an Janet Witcombes schockierende Enthüllung denken, dass Edward Kates Liebhaber gewesen war.
Sie setzten sich an einem zerkratzten Holztisch einander gegenüber. Das Gasthaus war halb leer, und an einer Bar im Hinterzimmer tranken einige Frauen und Männer ihr Bier. Jills Gedanken rasten.
»Ist es zu spät, um noch das Krankenhaus zu besuchen?«, fragte Jill. Sie glaubte der alten Dame jedes Wort. Ihr drehte sich das Herz um, wenn sie an die beiden Liebenden dachte. Wie war das geschehen? Wie?
Und sie musste sich fragen, ob Edward etwas mit Kates Verschwinden zu tun gehabt hatte.
389
»Nein. Okay, Jill, spuck’s aus. Woran denkst du?«
Er sah ihr in die Augen.
»Deine Laune scheint mit jeder Minute besser zu werden«, bemerkte Jill etwas säuerlich.
»Das macht die gute Luft.« Dann besann er sich eines Besseren. »Und natürlich die nette Gesellschaft.«
Sie hatte sich bequem hingelümmelt, aber jetzt setzte sie sich kerzengerade hin. Ihre Blicke trafen sich. Alex schaute nicht weg. Okay, dachte Jill, mit ihrem rasenden Herzen und seinen allzu forschenden blauen Augen beschäftigt. Es ist so weit. Das ist der große Test. Heute Nacht würden sie allein unter einem Dach schlafen. Würde sie im Gefängnis landen oder über »Los« gehen und viertausend Mark einsammeln? Ihre Gedanken eilten voraus. Zu ihrem Körper in Alex’ starken Armen. Zu einem Bild von ihnen beiden, wie sie im Bett ineinander verschlungen waren, Alex über ihr, ganz geschmeidige, feucht glänzende Muskeln ... Nervös und verwirrt zwang Jill die Bilder zu verschwinden.
Er würde es wieder bei ihr versuchen. Da war sie ganz sicher. Weil Alex durch und durch ein Mann war, und er hatte seine Absichten ja auch bereits deutlich gemacht.
Geh über »Los«, dachte sie und bemerkte, dass sie sich an der Tischkante festkrallte. Konzentrier dich auf die Suche nach Kate. Denk nicht an ihn oder an 390
seinen Körper oder wie schön eine wilde Nacht sein könnte.
»Was hast du mit dieser Bemerkung im Pflegeheim gemeint? Dass es eine Menge erklären würde, wenn Edward Kates Geliebter war?«, fragte sie verbissen.
Alex sah sie an. »Hast du das zu Ende gedacht, Jill?«
»Was meinst du?«
»Wenn Kate ein Kind hatte - das überlebt hat - und dieses Kind dein Großvater war, gezeugt von Edward
- dann bist du Edward Sheldons Urenkelin.«
Sprachlos sah Jill ihn an.
»Natürlich wissen wir nicht sicher, ob Kates Kind von Edward war, und wir wissen auch nicht, ob das Kind dein Großvater war.« Er starrte sie an. »Ich glaube, wir müssen das, was sie uns erzählt hat, mit großer Vorsicht genießen.«
Jill saß da wie vom Donner
Weitere Kostenlose Bücher