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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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das Hal als Arbeitszimmer gedient hatte. Sie war aus einem bestimmten Grund hier, und den durfte sie nicht aus den Augen verlieren - aber sie zitterte, ihre Knie wackelten, und ihre Eingeweide krampften sich schmerzhaft zusammen. Sie konnte auch die lächerliche Erwartung nicht abstreifen, dass Hal jeden Moment durch die Tür kommen und sie aus dem schlimmsten Albtraum wecken würde, den sie jemals gehabt hatte.
    Jill setzte sich an den Schreibtisch und versuchte, an nichts anderes als an die Briefe zu denken. Sie begann die Schubladen zu durchsuchen, eine nach der anderen, systematisch, fest entschlossen. Sie musste die Briefe finden. Sie ignorierte seine Rechnungen 193

    und Quittungen. Sein Schreibtisch war ordentlich, denn er hatte sich nur der Fotografie gewidmet, was bedeutete, dass er weit mehr Zeit in seiner Dunkelkammer als an seinem Schreibtisch verbracht hatte. Sie blätterte seine Papiere durch und erstarrte, als sie auf ein Adressbuch stieß.
    Jill schlug es gleich beim Buchstaben G auf. Da standen ihr Name und ihre Nummer. Sie zögerte, wollte es wieder schließen und in die Schublade zurücklegen. Aber sie konnte nicht anders. Sie ging es sorgfältig durch und bemühte sich, kein schlechtes Gewissen zu haben. Lucinda stand darin, sowohl mit ihrer Privatnummer als auch der Nummer in Uxbridge Hall. Da war auch Marisa Sutcliffe. Jill legte das Adressbuch weg. Es war ein Fehler gewesen, es durchzusehen. Das hatte sie nur traurig gemacht -
    natürlich hatte er Marisas Telefonnummer und Adresse, er hatte sie schließlich viele Jahre gekannt.
    Aber jetzt war Jill so trübselig, dass sie gar nicht mehr an Kate dachte. Eine leise Stimme im Inneren warnte sie, dass es ihr noch
    Leid tun würde, wenn sie jetzt in seinem Privatleben herumschnüffelte. Gleich darauf fand sie seine Telefonrechnung mit einer Einzelaufstellung seiner Ferngespräche. Ihr Herz schien sich seinen Weg aus ihrem Mund bahnen zu wollen. Schau sie nicht an, befahl sie sich. Konzentrier dich. Such die Briefe.
    194

    Aber Jills Hände und Augen gehorchten ihr nicht.
    Rasch überflog sie die Liste.
    Da war eine ganze Reihe von Gesprächen nach London aufgeführt, und nicht alle mit derselben Nummer. Jill hatte ja gewusst, dass er oft mit seiner Familie telefonierte, also sollte sie das nicht überraschen. Aber er hatte drei verschiedene Londoner Nummern häufiger gewählt. Mit bebenden Händen öffnete Jill sein Adressbuch. Im letzten Monat hatte er Marisas Nummer zehnmal gewählt.
    Jill schlug das Buch zu. Ihr Puls raste. Ein Anruf war kein hässlicher Betrug. Das bedeutete nicht, dass er Marisa immer noch geliebt hatte. Es bedeutete nicht, dass er sie, Jill, betrogen hatte - oder dass sie nur ein Abenteuer gewesen war. Es bedeutete nicht, dass er sie nicht von ganzem Herzen geliebt hatte.
    Oder?
    Jill sprang auf. Es war ein Fehler gewesen, in Hals Apartment zu kommen. Es ging ihr noch schlechter als vorher, sie war hierfür noch nicht bereit, sie würde ein andermal wiederkommen, wenn sie ruhiger war -
    sie musste hier raus, jetzt sofort.
    Sie brauchte Luft.
    Warum hatte er in den vier Wochen vor seinem Tod zehnmal Marisa angerufen? Warum?
    Die Antwort war so offensichtlich. Thomas hatte Recht. Hal hatte vorgehabt, Marisa zu heiraten, und sobald er von ihrer Scheidung erfahren hatte, hatte er 195

    mit Jill Schluss gemacht, damit er nach Hause fahren und es tun konnte.
    Aber wie passte Kate da hinein?
    Auf einmal bekam Jill keine Luft mehr. Sie rannte aus dem Büro, schnappte sich ihre Tasche und ihre Jacke und sauste durchs Wohnzimmer zur Tür. Sie drückte sie auf, stand draußen im Hausflur und schnappte nach Luft. Sie würde ein andermal nach den Briefen suchen, wenn ihr vor Zweifel und Kummer nicht zu jämmerlich zu Mute war, wenn sie wieder mehr Kraft hatte.
    In diesem Moment öffnete sich die Tür des Aufzugs, und Thomas Sheldon trat hinaus in den Flur.
    Jill wollte ihren Augen nicht trauen. Er war der allerletzte Mensch, den sie jetzt sehen wollte. »Was tun Sie denn hier?«, keuchte sie.
    »Der Portier sagte mir, Sie seien hier oben, und ich konnte es nicht fassen«, antwortete er. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie ebenso ungläubig an wie sie ihn. »Wie meinen Sie das, was ich hier tue?
    Was haben Sie hier zu suchen?«
    Jill musste sich eine Antwort einfallen lassen. »Ich habe noch ein paar Sachen hier«, begann sie. Dann brach sie ab. Sein Gesicht zeigte deutlich, dass er ihr nicht traute.
    »Sie haben einen Schlüssel

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