Katharina von Medici (German Edition)
schier rätselhaft vorkommen müssen. Da gab's riesige Ställe, die Wohnungen der Ärzte, Bibliothekare, Kanzler, des Klerus, der Schatzmeister, Offiziere, Pagen, der mit dem Fürstenhause verknüpften Diener und Lohndiener.
Nach der Sankt Honoriusstraße hin befand sich in einem Garten des Hotels ein hübsches kleines Haus, das sich die berühmte Herzogin von Alençon Anno 1520 hatte erbauen lassen. Seitdem war es von Privathäusern umgeben worden, die sich Kaufherrn erbauten. Dort hatte der König Marie Touchet untergebracht. Wiewohl der Herzog von Alençon damals gegen seinen Bruder konspirierte, war er nicht imstande, ihm in diesem Punkte entgegen zu sein.
Da der König, um die Sankt Honoriusstraße – welche zu jenen Zeiten Dieben nur vom Häschertore aus Chancen bot – hinunterzugehen, an seiner Liebsten Hotel vorbeimußte, war es schwierig für ihn, nicht dort hängen zu bleiben. Indem er irgendeinen unverhofften Glücksfall, einen verspäteten Bürgersmann zum Ausplündern oder die Wache zum Verhauen suchte, hob der König die Nase nach allen Stockwerken empor und betrachtete die erleuchteten Fenster, um zu sehen, was dort vor sich ging, oder um Gespräche zu belauschen. Aber er fand seine Stadt Paris in beklagenswert ruhigem Zustande. Plötzlich jedoch, als er bei dem Hause eines berühmten Parfümeriefabrikanten namens René anlangte, welcher den Hof belieferte, schien den König, als er ein helles Licht erblickte, welches durch das letzte Speicherfenster schimmerte, eine jener plötzlichen Eingebungen zu überkommen, die sich wohl durch früher gemachte Beobachtungen einem aufdrängen.
Dieser Parfümeriefabrikant stand in dem starken Verdachte, reiche Oheime zu »heilen«, wenn sie sich für krank erklärten: der Hof schrieb ihm die Erfindung des berühmten Erbelixirs zu, und er wurde angeklagt, Johanna d'Albret, Heinrichs des Vierten Mutter, vergiftet zu haben, die beerdigt wurde, ohne daß ihr Kopf »trotz Karls des Neunten förmlichen Befehls«, wie ein Zeitgenosse berichtet, geöffnet worden wäre.
Seit zwei Monden suchte der König nach einer Gelegenheit, die Geheimnisse des Renéschen Laboratoriums zu erspähen, wohin Kosmus Ruggieri sich häufig begab. Wenn er irgend etwas Verdächtiges vorfände, wollte der König selber ohne Vermittlung der Polizei und des Gerichts, auf welche seine Mutter durch Einschüchterung oder Bestechung einwirkte, gegen ihn vorgehen.
Fest steht, daß während des sechzehnten Jahrhunderts und in den Jahren, die ihm vorausgingen oder nachfolgten, das Vergiften eine Vollkommenheit erlangt hatte, die der modernen Chemie unbekannt ist. Die Geschichte bestätigt das genügsam. Italien, Wiege der modernen Wissenschaften, war zu jener Epoche Erfinderin und Herrin solcher Geheimnisse, von denen viele verloren gingen. Romanschriftsteller haben einen solchen Unfug damit getrieben, daß sie überall, wo sie Italiener auftreten lassen, ihnen nur Mörder- und Giftmischerrollen zuweisen. Wenn Italien damals subtilste Gifte herstellte, wovon manche Schriftsteller zu berichten wissen, kann man daraus nur ersehen, daß es auch in der Toxikologie wie in allen menschlichen Kenntnissen und Künsten, worin es Europa vorausging, überlegen war. Die Verbrechen der Zeit waren nicht die seinigen, es diente den Leidenschaften nur, wie es andererseits wunderbare Gebäude aufführte, Heere befehligte, schöne Fresken malte, Romanzen sang, Königinnen liebte, Königen gefällig war, Feste oder Balletts ersann und die Politik beherrschte. In Florenz war jene schreckliche Kunst bis zu solch hoher Vollendung gediehen, daß ein Weib, mit einem Herzoge einen Pfirsich teilend, sich dabei einer goldenen Messerklinge bediente, deren eine Seite nur vergiftet war, und so ohne irgendwelche Folgen die nicht vergiftete Hälfte genoß und mit der anderen den Tod gab. Ein Paar parfümierter Handschuhe ließ durch die Poren todbringende Krankheit eindringen. Gift brachte man in einem Strauße natürlicher Rosen unter, deren Duft allein, wenn man ihn eingeatmet hatte, den Tod gab. Don Juan d'Austria ward, wie es heißt, durch ein Paar Stiefel vergiftet. Mit gutem Rechte also war König Karl der Neunte neugierig, und jedweder wird verstehen, wie sehr ihn die ihn quälende düstere Ahnung ungeduldig machen mußte, René bei der Tat zu ertappen.
Der alte an der Ecke der Trockenenbaumstraße gelegene Brunnen, der später wieder aufgeführt ward, leistete der edlen Bande den nötigen Vorschub, um auf den First eines
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