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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gestützt. Alle Gebäude der Kaufmannsquartiere hatten unter diesen Pfeilern einen Laubengang, wo die Vorübergehenden im Trocknen einkaufen konnten; zwar war der Boden holprig durch den Dreck, den sie mit sich brachten, aber doch festgetreten. In allen Städten Frankreichs werden solche Gänge die Lauben genannt, ein Gattungsname, dem man die Bezeichnung des Handels wie Marktlauben, Bäckerlauben hinzufügt. Solche Galerien, welche durch die so wechselreiche, regnerische Pariser Atmosphäre bedingt wurden und der Stadt ein charakteristisches Gesicht verliehen, sind gänzlich verschwunden. Ebenso wie nur ein einziges über den Fluß gebautes Haus existiert, gibt es kaum noch ein hundert Fuß langes Stück der alten Marktlauben, der letzten, welche der Zeit widerstanden; in einigen Tagen wird auch dieses Überbleibsel von dem düsteren Labyrinth des alten Paris zerstört werden. Das Vorhandensein solcher Trümmer des Mittelalters verträgt sich wahrlich nicht mit den großen Ausmaßen des modernen Paris. Auch ist es weniger Absicht dieser Bemerkungen, den Verlust solcher Fragmente der alten Stadt zu bedauern, als ihre Ehrwürdigkeit durch die letzten lebenden Beweise, die drauf und dran sind, in Staub zu zerfallen, zu weihen und für Beschreibungen, welche für eine Zukunft kostbar sind, die dem augenblicklichen Jahrhundert auf dem Fuße folgt, Verzeihung zu erlangen.
    Die Wände dieses Hauses waren aus Holz gebaut, das man mit Schiefern belegt hatte. Die Zwischenräume zwischen den Holzbalken waren, wie man es noch in einigen alten Provinzstädten sieht, mit Mauersteinen ausgefüllt worden, deren verschiedene Dicke ein Muster bildete, das man »ungarische Spitze« nennt. Die Brüstungen der Fenster und ihre Oberschwellen, die in gleicher Weise aus Holz bestanden, waren wie der Eckpfeiler, der sich oberhalb der Madonna erhob, und die Pfeiler der Vorderseite des Kaufmannsgewölbes reich skulpiert. Jedes der Fenster, jeder der Hauptbalken, welche die Stockwerke voneinander trennten, zeigten Arabesken aus phantastischen Menschen oder Tieren gebildet, die in verschnörkeltem Blätterwerk lagerten. Auf der Straßenseite wie nach dem Flusse hin hatte das Haus als Aufsatz ein zwei gegeneinander gestellten Karten ähnliches Dach, und zeigte so einen Giebel nach der Straße und einen nach dem Wasser hin. Das Dach sprang wie das eines Schweizerhauses so weit vor, daß es im zweiten Stockwerk eine mit Geländerdocken verzierte Außengalerie geben konnte, auf welcher die Bürgerin im Trocknen lustwandelte, wobei sie die ganze Straße oder das zwischen den beiden Brücken und den beiden Häuserreihen liegende Wasserbecken zu überblicken vermochte. Die über den Fluß gebauten Häuser besaßen damals einen großen Wert. Zu jenen Zeitläuften war das Kanal- und Röhrenbrunnensystem noch zu erfinden; es existierte nur erst die Gürtelgosse, welche von Aubriot, dem ersten genialen und willensstarken Manne, der unter Karl dem Fünften an die Verbesserung der Pariser Gesundheitsbedingungen dachte, vollendet worden war. Die wie das Lecamussche gelegenen Häuser fanden durch den Fluß zugleich das fürs Leben notwendige Wasser und den Abfluß des Regens und all der Abwässer. Die ungeheuren Arbeiten, welche die Vorsteher der Kaufmannschaft in dieser Art leisteten, waren noch nicht vorhanden. Heute erinnern sich nur noch die Vierzigjährigen der Schlünde, von welchen die Abwässer in der Montmartrestraße, in der Templestraße usw. verschlungen wurden. Diese schrecklichen klaffenden Mäuler bildeten in jenen alten Zeiten eine ungeheure Wohltat. Ihr Platz wird zweifelsohne ewig markiert sein durch die plötzliche Erhöhung des Straßendamms an der Stelle, wo sie sich öffneten: auch eine archäologische Absonderlichkeit, welche sich in zwei Jahrhunderten die Historiker nicht werden erklären können. Gegen 1816 wurde eines Tages ein kleines Mädchen, das einer Schauspielerin des Ambigu ihre Diamanten für eine Königinnenrolle brachte, von einem Platzregen überrascht und in so verhängnisvoller Weise in den Schlund der Templestraße gezogen, daß sie ohne die Hilfe eines Vorübergehenden, dem ihr Geschrei zu Herzen gegangen, darin verschwunden wäre; die Diamanten aber hatte sie fahren lassen müssen, und sie wurden in einem Loche wiedergefunden. Dies Ereignis erregte großes Aufsehen und gab dem Verlangen nach Abschaffung solcher Wasser- und Kleinmädchenverschlinger einiges Gewicht. Diese seltsamen, fünf Fuß hohen Konstruktionen

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