Katharina von Medici (German Edition)
mündete auf eine prachtvolle Treppe, welche zweifelsohne die Anregung zu jener berühmten Doppeltreppe in Chambord gab und von Stockwerk zu Stockwerk zu den Gemächern führte. Wiewohl La Fontaine Franz des Ersten Schloß dem Ludwigs des Zwölften vorgezogen hat, wird die Naivität des Palastes des guten Königs wahren Künstlern um so mehr gefallen, als sie die Prachtliebe des Ritterkönigs bewundern werden. Die Eleganz der beiden Treppen, welche sich an jedem äußeren Ende des Schlosses Ludwigs des Elften befinden, die feinen und originellen Skulpturen, die dort in Fülle vorhanden sind, – zwar hat sie die Zeit zernagt, aber ihre Reste bilden noch immer das Entzücken der Altertumsliebhaber – alles bis auf die fast klösterliche Einteilung der Gemächer zeugt von großer Einfachheit der Sitten. Augenscheinlich existierte der Hof noch nicht und hatte sich noch nicht in der Weise entfaltet, wie es zum großen Nachteile der feudalen Sitten unter Franz dem Ersten und Katharina von Medici der Fall sein sollte. Wenn man die meisten Galerien, die Kapitelle einiger Säulen, bestimmte Figuren von erlesener Zartheit bewundert, muß man unbedingt zu der Vermutung kommen, daß Michel Golumb, dieser große Bildhauer, der Michelangelo der Bretagne, dort seiner Königin Anna zu Gefallen einige Zeit gelebt hat. Auf dem Grabmale ihres Vaters, des letzten Herzogs der Bretagne, hat er sie unsterblich gemacht.
Wie La Fontaine auch darüber denken mag, nichts ist grandioser als die Behausung des verschwenderischen Franz des Ersten. Dank ich weiß nicht welcher rohen Gleichgültigkeit, dank dem Vergessen vielleicht, zeigen die Gemächer, die Katharina von Medici und ihr Sohn Franz der Zweite bewohnten, noch heute ihre ursprüngliche Anordnung. Dort kann auch der Historiker die tragischen Szenen des Dramas der Reformation, in welchem der Doppelkampf der Guisen und Bourbonen wider die Valois eine der kompliziertesten Handlungen bildete, nochmals durchleben. Hier ward sein Konflikt gelöst.
Franz des Ersten Schloß hat die naive Behausung Ludwigs des Zwölften durch seine imposante Masse völlig zermalmt. Auf der Seite der unteren Gärten, das heißt von dem heutigen Jesuitenplatze aus, ist das Schloß fast doppelt so hoch als auf der Hofseite. Das Erdgeschoß, wo sich die berühmten Galerien befinden, bildete von der Gartenseite aus die zweite Etage. Also ist das erste, wo damals die Königin Katharina hauste, eigentlich das dritte Stockwerk und die königlichen Gemächer liegen im vierten Stock über den unteren Gärten, welche in jener Zeit durch tiefe Wassergräben von den Gebäuden getrennt waren. Das Schloß, das schon von der Hofseite aus kolossal wirkte, mußte von dem unteren Platze aus riesenhaft erscheinen. Von dort aus sah es La Fontaine, der zugibt, weder den Hof noch die Gemächer jemals betreten zu haben. Vom Jesuitenplatze aus erscheint alles klein. Die Balkone, auf welchen man sich erging, die wunderbar ausgeführten Galerien, die skulpierten Fenster, deren Nischen ebenso tief waren wie Boudoirs, und die damals auch als solche benutzt wurden, gleichen den gemalten Phantasien moderner Operndekorationen, wenn die Maler dort Feenpaläste darzustellen haben. Im Hofe aber, obwohl die drei Stockwerke über dem Erdgeschoß noch ebenso hoch sind wie der Uhrpavillon in den Tuilerien, lassen sich die unendlichen Feinheiten der Architektur deutlich erkennen, und sie entzücken die erstaunten Blicke. Dieses Hauptgebäude, worinnen Katharina von Medicis üppiger Hof und der der Maria Stuart sich aufhielten, ist durch einen sechseckigen Turm zerteilt, in dessen ausgehöhltem Gehäuse eine Steintreppe hochführt, eine von Riesen erdachte, von Zwergen gearbeitete maurische Laune, welche dieser Fassade ein traumhaftes Aussehen verleiht. Die Tribünen der Treppe bilden eine Schneckenlinie mit viereckigen Abteilungen, welche sich an die fünf Mauerstücke dieses Turmes heftet und von Zwischenraum zu Zwischenraum transversale Mauervorsprünge ergibt, die außen und innen über und über mit Arabesken verziert sind. Man kann diese betäubende Schöpfung erfinderischer und feiner Einzelheiten voll jener Wunder, welche diese Steine beredt machen, nur mit den reichen und sorgfältig ausgeführten Elfenbeinarbeiten aus Dieppe und China vergleichen. Kurz der Stein dort gleicht einer erhabenen Spitze. Die Blumen-, Menschen- oder Tierfratzen streben längs der Rippen empor, vervielfältigen sich von Stufe zu Stufe und krönen den Turm mit
Weitere Kostenlose Bücher