Katharina von Medici (German Edition)
einem Gewölbeschlußstein, auf welchem die Meißel der Künstler des sechzehnten Jahrhunderts mit denen jener naiven Steinmetzen gewetteifert haben, die fünfzig Jahre vorher die Gewölbeschlußsteine der beiden Treppen im Schlosse Ludwigs des Zwölften ausgehauen hatten. Wie geblendet man angesichts dieser Überfülle von Formen auch sein mag, die mit unermüdlicher Weitschweifigkeit immer wieder entstehen, man merkt doch, daß es ebensowohl Franz dem Ersten für Blois als auch Ludwig dem Vierzehnten für Versailles an Geld mangelte. Mehr als eine Figur zeigt ihr hübsches zartes Köpfchen, das aus einem kaum grob behauenen Blocke hervorspringt. Mehr als eine phantastische Rosette ist einzig durch einige Meißelhiebe auf dem schnell wieder aufgegebenen Steine angedeutet; Feuchtigkeit läßt dort ihren grünlichen Schimmel wuchern. An der Fassade, zur Seite der Spitzenmuster eines Fensters, zeigt das Nachbarfenster rohe Steinmasse, die Zeit hat sie in ihrer Weise ausgemeißelt, hat sie zerstückelt. Für die Augen der Leute, die weniger Künstler und weniger geübt sind, gibt es da einen entzückenden Kontrast zwischen dieser Fassade, wo die Wunder nur so sprudeln, und der inneren Schloßfassade Ludwigs des Zwölften, die aus einem Erdgeschoß mit einigen Arkaden von duftiger Leichtigkeit, getragen von Säulchen, die unten auf eleganten Galerien ruhen, und zwei Etagen besteht, wo die Fenster mit einer reizvollen Sparsamkeit skulpiert sind. Unter den Arkaden zieht sich eine Galerie hin, deren Mauern Fresken trugen und deren Decke in gleicher Weise ausgemalt worden war, denn man findet noch heute einige Spuren dieser Malerei in einer den Italienern nachgeahmten Pracht, welche an die Heerzüge unserer Könige erinnern, denen das Mailänder Gebiet gehörte. Dem Schlosse Franz des Zweiten gegenüber befand sich damals die Kapelle der Grafen von Blois, deren Fassade fast im Einklange mit der Architektur der Behausung Ludwigs des Zwölften stand. Kein Bild würde die majestätische Solidität dieser drei Bauwerke ausmalen können und trotz des Mißklangs in der Ornamentation war das machtvolle und starke Königtum, welches die Größe seiner Befürchtungen durch die Größe seiner Vorsichtsmaßregeln bewies, das Band dieser drei Gebäude verschiedenen Charakters. Zwei von ihnen stießen an den riesigen Saal der Generalstände, welcher groß und hoch wie eine Kirche war. Wahrlich, weder die Naivität noch die Kraft jener bürgerlichen Existenzen, die zu Anbeginn dieser Geschichte geschildert worden sind, und bei denen die Kunst immer repräsentierte, fehlten dieser königlichen Behausung. Blois war gewißlich das glänzende und anregende Vorbild, welches Bourgeoisie und Feudalität, Geld und Adel in den Städten und auf dem Lande in lebendigster Weise immer und immer wiederholte. Anders würde man sich den Wohnsitz eines Fürsten, der über das Paris des sechzehnten Jahrhunderts herrschte, nicht gewünscht haben. Der Reichtum der edelherrlichen Gewänder, der Luxus der Damenkleider mußten in wunderbarer Weise mit der Toilette dieser so seltsam bearbeiteten Steine harmonieren. Wenn der König von Frankreich die wundervolle Treppe seines Schlosses von Blois hinanstieg, überschaute er von Stockwerk zu Stockwerk eine größere Strecke der schönen Loire, welche ihm die Neuigkeiten seines ganzen Königreiches zutrug, das sie in zwei sich die Stirne bietenden und fast rivalisierenden Hälften zerteilte.
Wenn Franz der Erste, statt sich in einer toten und düsteren Ebene sowie zwei Meilen fern von dort niederzulassen, sein Chambord neben diesem Schlosse und auf dem Platze gebaut hätte, wo sich damals jene Parterre ausdehnten, auf denen Gaston seinen Palast aufführte, würde Versailles nie erstanden sein; notgedrungenerweise wäre Blois Frankreichs Hauptstadt geworden. Vier Valois und Katharina von Medici verschwendeten ihre Reichtümer an das Schloß Franz des Ersten zu Blois. Wer aber würde nicht ahnen, welche Summen die Krone dort verschwendete, wenn er die mächtigen Scheidemauern, das Rückgrat dieses Schlosses, bewundert, worinnen sowohl tiefe Alkoven und Geheimtreppen als auch Kabinette untergebracht sind, welche so geräumige Säle wie den Beratungssaal, den der Wachen und königliche Gemächer umschließen, worinnen zu unseren Tagen bequem eine Infanteriekompagnie haust? Selbst wenn der Besucher nicht sofort begreifen sollte, daß die Wunder drinnen mit denen draußen im Einklang stehen, würden die Reste des
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