Katharina von Medici (German Edition)
regiert«, flüsterte Albert der Königin ins Ohr, die nachdenklich dastand.
Ein schrecklicher Ausdruck innerer Wut glitt über das schöne Elfenbeinantlitz der Königin, die noch keine vierzig Jahre alt war und seit sechsundzwanzig Jahren ohne irgendwelche Macht am französischen Hofe lebte, sie, die bei ihrer Ankunft dort die erste Rolle zu spielen gedachte. In Dantes Muttersprache kam folgende schreckliche Phrase über die Lippen:
»Nichts, solange dieser Sohn leben wird ... Seine kleine Frau verzaubert ihn«, fügte sie nach einer Pause hinzu.
Katharinas Exklamation war durch die seltsame Vorhersage eingegeben worden, die ihr wenige Tage zuvor im Schlosse zu Chaumont auf der entgegengesetzten Loireseite verkündigt wurde. Dahin war sie von Ruggieri, ihrem Astrologen, geführt worden, um über das Leben ihrer vier Kinder eine berühmte Zauberin um Rat zu fragen, die von Nostradamus, dem Haupte der Ärzte, heimlich dorthin gebracht war. In diesem großen sechzehnten Jahrhundert hingen Ärzte wie die Ruggieri, wie die Cardan, wie die Paracelsus und so viele andere den okkulten Wissenschaften an. Dieses Weib, dessen Leben der Geschichte entgangen ist, hatte Franz' des Zweiten Herrschaft nur ein Jahr Dauer gegeben.
»Und Eure Meinung über dies alles?« fragte Katharina Chiverni.
»Wir werden eine Schlacht haben«, antwortete der vorsichtige Edelmann. »Der König von Navarra ...«
»0h, sagt lieber die Königin«, entgegnete Katharina.
»Wahrlich die Königin«, sagte Chiverni lächelnd, »hat den Reformierten als Anführer den Prinzen von Condé gegeben, der in der Eigenschaft eines jüngeren Sohnes alles wagen kann; auch spricht der Herr Kardinal davon, ihn hierher zu beordern.« »Möge er kommen,« schrie die Königin, »und ich bin gerettet!«
Also hatten die Häupter der großen Bewegung der Reformation in Frankreich in Katharina mit Recht eine Verbündete erraten.
»Etwas Belustigendes liegt darin,« rief die Königin, »daß die Bourbonen die Hugenotten an der Nase herumführen, und daß die Ehren Calvin, de Beza und andere den Bourbonen ein Schnippchen schlagen. Werden wir aber stark genug sein, um die Hugenotten, die Bourbonen und Guisen hinters Licht zu führen? Angesichts dieser drei Feinde sollte man sich doch den Puls fühlen lassen!«
»Sie haben den König nicht für sich«, antwortete Albert ihr; »und Ihr werdet immer triumphieren, da Ihr den König auf Eurer Seite habt.«
»Maladetta Maria!« zischelte Katharina zwischen den Zähnen.
»Die Lothringer sinnen bereits stark darauf, Euch der Bürgerschaft Zuneigung zu nehmen«, sagte Birago.
Die Hoffnung, die Krone zu erhalten, war bei den beiden Häuptern der rührigen Familie der Guisen nicht das Ergebnis eines vorbedachten Planes; nichts rechtfertigte Plan oder Hoffnung. Die Umstände machten ihnen Mut. Die beiden Kardinäle und die beiden Balafrés waren zufällig vier ehrgeizige Männer, die allen sie umgebenden Politikern an Talenten überlegen waren. Auch ward diese Familie nur von Heinrich dem Vierten niedergeworfen, der als Aufrührer in jener großen Schule aufgezogen war, deren Lehrer Katharina und die Guisen waren. Aus allen ihren Lehren zog er Gewinn.
In diesem Momente aber waren die beiden Männer Schiedsrichter der größten seit der von Heinrich dem Achten in England versuchten Revolution. Diese war die Konsequenz der Entdeckung der Buchdruckerkunst. Als Widersacher der Reformation hielten sie die Macht in ihren Händen und wollten die Ketzerei ersticken, doch wenn er auch weniger berühmt war als Luther, so war Calvin, ihr Gegner, doch stärker als Luther. Calvin sah damals die Herrschaft da, wo Luther nur das Dogma gesehen hatte. Dort wo der fette Bierzecher, der verliebte Deutsche sich mit dem Teufel herumzankte und ihm sein Tintenfaß an den Kopf warf, schmiedete der leidende Hagestolz Feldzugspläne, lenkte Schlachten, bewaffnete Fürsten und wiegelte ganze Völker auf, indem er die republikanischen Doktrinen in die Herzen des Bürgertums säte, um seine ständigen Niederlagen auf den Schlachtfeldern durch neue Fortschritte im Geiste der Nationen wettzumachen.
Der Kardinal von Lothringen und der Herzog von Guise wußten ebensogut wie Philipp der Zweite und der Herzog von Alba, daß es auf die Monarchie abgesehen war und welch enger Bund zwischen Katholizismus und Königtum bestand.
Karl der Fünfte, der trunken war, weil er zu tief in Karls des Großen Becher hineingeschaut hatte und zu sehr an die Macht seiner
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