Katharina von Medici (German Edition)
diensttuende Hauptmann hatte ihnen gemeldet, daß Ambrosius Paré eben mit Chapelain und drei anderen, von Katharina bearbeiteten Ärzten angelangt sei; die alle haßten Ambrosius.
In wenigen Augenblicken bot der große Balleisaal den nämlichen Anblick wie der Wachensaal zu Blois am Tage, wo der Herzog von Guise zum Reichsverweser ernannt und Christoph auf die Folter gespannt ward, mit dem Unterschied freilich, daß damals Liebe und Freude das Königsgemach erfüllten, daß die Guisen triumphierten, während heute dort Trauer und Tod herrschten und die Lothringer die Macht ihren Händen entgleiten fühlten.
Die Hoffräulein beider Königinnen befanden sich in zwei Lagern je in einer Ecke des Kamins, in welchem ein tüchtiges Feuer brannte. Der Saal war mit Höflingen angefüllt. Die Kunde hatte sich verbreitet – durch wen weiß man nicht –, daß Ambrosius eine kühne Operation vornehmen wolle, um dem König das Leben zu retten, und diese Neuigkeit hatte alle Edelleute herbeigelockt, die das Recht besaßen, bei Hof zu erscheinen. Die äußere Balleitreppe und der Hof standen voller unruhiger Gruppen. Das gegenüber dem Rekollektenkloster für den Prinzen von Condé errichtete Blutgerüst setzte den ganzen Adel in Erstaunen. Man plauderte mit leiser Stimme und die Gespräche zeigten wie in Blois den nämlichen Mischmasch von ernsthaften und frivolen, von leichtfertigen und tiefen Dingen. Man hub an, sich an die Wirren, an jähe Revolutionen, das Zu-den-Waffen-Greifen, an Rebellion und die plötzlichen großen Ereignisse zu gewöhnen, die sich wie ein roter Faden durch die lange Periode hinzogen, in welcher trotz aller Anstrengungen der Königin Katharina das Haus Valois erlosch.
Ein tiefes Schweigen herrschte bis zu einer gewissen Entfernung des königlichen Gemaches um die Tür herum, die von zwei Hellebardenträgern, zwei Pagen und dem Hauptmanne der Schottländergarde bewacht wurde. Anton von Bourbon, der in seinem Hotel gefangen gehalten ward, hörte dort, als er sich allein sah, von den Hoffnungen des Hofes und wurde durch die Nachricht von den in der Nacht für seines Bruders Hinrichtung getroffenen Anstalten schwer niedergedrückt.
Vor dem Kamin der Bailei stand eine der schönsten und größten Männergestalten jener Zeit: der Kanzler de L'Hôpital in seinem roten hermelinverbrämten Talare. Dem Privilegium seines Amtes gemäß war sein Haupt mit der mörserförmigen Mütze bedeckt. Als er in seinen Wohltätern Aufrührer sah, hatte der mutige Mann die Interessen seiner Könige, die von der Königin-Mutter repräsentiert wurden, zu seinen eigenen gemacht. Auf die Gefahr hin, um seinen Kopf zu kommen, war er nach Ecouen gegangen, um sich mit dem Kronfeldherrn zu beraten. Niemand wagte ihn in dem Nachdenken, in das er versunken war, zu stören. Robertet, der Staatssekretär, zwei Marschalle von Frankreich, Vieilleville und Saint-André, und der Großsiegelverwahrer bildeten vor dem Kanzler eine Gruppe. Die Höflinge lachten nicht gerade, führten aber immerhin boshafte Redensarten im Munde, und besonders die, welche nicht zu den Guisen hielten.
Endlich hatte der Kardinal den Schotten Stuart, des Präsidenten von Minard Mörder, erwischt und ließ ihm gerade in Tours den Prozeß machen. Ebenfalls hatte er in den Schlössern von Blois und Tours eine ziemlich stattliche Anzahl von Edelleuten, die sich kompromittiert hatten, festgesetzt, um dem Adel einen gewissen Schrecken einzujagen; doch der ließ sich durch nichts einschüchtern und fand in der Reformation einen Rückhalt für seine Vorliebe zu Revolten, welche durch das Gefühl seiner ursprünglichen Gleichheit mit dem Könige bedingt wurde.
Die Gefangenen in Blois nun hatten Mittel und Wege zur Flucht gefunden, und ein merkwürdiges Verhängnis wollte, daß die Gefangenen von Tours die von Blois nachahmten.
»Gnädige Frau,« sagte der Kardinal von Châtillon zu Frau von Fiesco, »wenn sich irgendwer für die Gefangenen von Tours interessiert: sie schweben in einer großen Gefahr.«
Als der Kanzler diese Phrase hörte, wandte er den Kopf einer Gruppe von der Königin-Mutter Hoffräulein zu.
»Ja, der junge Desvaux, des Prinzen von Condé Junker, den man in Tours zurückhielt, fügte seiner Flucht einen bittren Spott hinzu. Er hat, heißt es, den Herren von Guise folgendes Wörtchen geschrieben:
›Wir haben von dem Entweichen Eurer Gefangenen in Blois gehört, das hat uns so verdrossen, daß wir ihnen flugs nachgejagt sind. Haben wir sie erst
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