Katharina von Medici (German Edition)
am Vorabend einer Revolte. Ja, die Wespentiere sind mißvergnügt,« fuhr er, den Leuten von Orleans ihren Spitznamen gebend, fort, »und wenn Paré nicht den König rettet, werden wir einen schrecklichen Aufstand erleben. Vor kurzem noch hätten wir Orleans belagern können, das ein hugenottisches Krötenloch ist.«
»Seit einem Augenblick«, entgegnete der Kardinal, »beobachte ich die Italienerin, die da in tiefer Gefühllosigkeit verharrt; sie belauert ihres Sohnes Tod. Gott verzeihe ihr! Und ich frage mich, ob wir nicht besser täten, sie wie den König von Navarra zu verhaften.«
»Es ist schon zu viel, daß wir den Prinzen von Condé im Gefängnis sitzen haben«, antwortete der Herzog.
Der Lärm eines mit verhängten Zügeln herbeisprengenden Reiters hallte vor dem Tore der Bailei wieder. Die beiden lothringischen Fürsten traten ans Fenster und beim Scheine der immer unter dem Torgange brennenden Fackeln des Türhüters und der Wache erkannte der Herzog am Hute jenes berühmte lothringische Kreuz, welches der Kardinal seine Parteigänger gerade zu tragen geheißen hatte. Er schickte einen der Arkebusiere, die im Vorzimmer standen, hinaus, um dem Ankömmling sagen zu lassen, daß er eintreten solle; gefolgt von seinem Bruder ging er ihm selber bis auf den Treppenabsatz entgegen.
»Was gibt's, mein lieber Simeuse?« fragte der Herzog in der liebenswürdigen Art, die er Kriegsleuten gegenüber entfaltete, als er den Kommandanten von Gien sah.
»Der Kronfeldherr reitet in Pithiviers ein; er hat Ecouen mit fünfzehnhundert Meldereitern und hundert Edelleuten verlassen ...«
»Sind sie in Begleitung?« fragte der Herzog.
»Ja, gnädiger Herr,« antwortete Simeuse, »alles in allem sinds ihrer zweitausendsechshundert. Wie einige sagen, bildet Thore mit einem Streifkorps Infanterie den Nachtrab. Wenn der Konnetabel sich aufhält, um seinen Sohn zu erwarten, habt Ihr Zeit, ihn abzutun.«
»Weiter wißt Ihr nichts? Sind die Gründe dieses Zu-den-Waffen-Greifens bekannt? Anne spricht ebensowenig, als er schreibt. Geht ihm entgegen, mein Bruder, während ich ihn mit seines Neffen Kopf begrüßen will«, sagte der Kardinal, der den Befehl erteilte, Robertet zu holen.
»Vieilleville,« rief der Herzog dem herankommenden Marschall entgegen, »der Kronfeldherr besitzt den Mut, sich in Waffen zu zeigen; steht Ihr mir dafür ein, daß Ihr die Stadt in Schach haltet, wenn ich ihm entgegenziehe?«
»Sobald Ihr hinausgeht, werden die Bürger zu den Waffen greifen. Und wer kann wissen, wie eine Affäre zwischen Rittern und Bürgern in diesen engen Straßen ausläuft?« antwortete der Marschall.
»Gnädiger Herr,« sagte Robertet, der die Treppe heraufgestürzt kam, »der Kanzler steht vor den Toren, soll man ihm aufmachen?«
»Öffnet«, antwortete der Kardinal von Lothringen.
»Konnetabel und Kanzler zusammen würden zu gefährlich sein, man muß sie trennen. Bei L'Hôpitals Wahl für dies Amt sind wir böse von der Königin-Mutter genasführt worden.«
Mit dem Kopfe gab Robertet einem Hauptmann, der unten an der Treppe auf eine Antwort wartete, ein Zeichen. Und dann wandte er sich schnell um, des Kardinals Befehlen harrend.
»Ich nehme mir die Freiheit, gnädiger Herr,« sagte er, noch eine Anstrengung machend, »Euch vorzustellen, daß das Urteil vom Könige und seinem Rat gebilligt werden muß. Wenn Ihr für einen Prinzen von Geblüt das Gesetz verletzt, wird man es weder einem Kardinal noch einem Herzog von Guise gegenüber respektieren.«
»Pinard hat dich verwirrt, Robertet«, sagte der Kardinal streng. »Weißt du nicht, daß der König das Urteil unterfertigte am Tage, wo er aus der Stadt zog, um es uns vollstrecken zu lassen?«
»Obwohl Ihr mir schier meinen Kopf abverlangt, indem Ihr mich mit diesem Dienste betraut, der übrigens von dem Profoß der Stadt vollzogen werden wird, will ich es tun, gnädiger Herr.«
Der Großmeister hörte dies Gespräch an, ohne mit der Wimper zu zucken; aber er ergriff seinen Bruder beim Arme und führte ihn in eine Ecke des Saales.
»Gewiß«, sagte er zu ihm, »haben Karls des Großen Erben das Recht, eine Krone wieder an sich zu reißen, die ihrem Hause von Hugo Capet abgenommen wurde; aber können sie es? Die Frucht ist noch nicht reif. Unser Neffe stirbt und der ganze Hof harrt beim Könige von Navarra.«
»Des Königs Herz ist schwach geworden. Wäre es anders, hätte der Bearnaise den Daggert zwischen den Rippen,« entgegnete der Kardinal, »und mit all den
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