Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Robespierre über den Konvent durch den Jakobinerklub herrschte. Ein hervorragender Genfer Gerichtsbeamter ward zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, verlor Amt und Würden und die Fähigkeit, je wieder über andere zu richten, »weil er ein liederliches Leben führte und sich mit Calvins Feinden verbunden hatte«. In dieser Beziehung war Calvin ein Gesetzgeber: er hat strenge, nüchterne, bürgerliche, gräßlich triste, aber tadellose Sitten geschaffen, die sich bis heute noch in Genf erhalten haben. Vorausgegangen sind sie den allgemein mit dem Worte puritanisch bezeichneten englischen Sitten, die man aber den Caméroniern zu verdanken hat, den Schülern Camérons, eines der von Calvin abstammenden französischen Doctores, die Walter Scott so wundervoll schilderte. Die Armut eines durchaus souveränen Mannes, der mit Königen wie mit seinesgleichen unterhandelte, der ihnen Schätze und Heere abverlangte, der mit vollen Händen für die Unglücklichen aus ihren Säckeln schöpfte, beweist, daß der Gedanke, als einziges Mittel zum Herrschen verstanden, politische Geizhälse erzeugt, die nur durch das Hirn genießen und ähnlich wie die Jesuiten Macht um der Macht willen wollen. Pitt, Luther, Calvin, Robespierre, alle diese Harpagons der Herrschaft sterben, ohne einen roten Heller zu besitzen. Das nach Calvins Tode in seiner Wohnung aufgenommene Inventar, das, die Bücher einbegriffen, keine fünfzig Taler wert war, ist von der Historie aufbewahrt worden: das Luthersche erreichte fast die nämliche Summe. Seine Witwe, die berühmte Katharina von Bora, sah sich genötigt, um eine Pension von hundert Talern zu bitten, die ihr von einem deutschen Kurfürsten gewährt ward. Potemkin, Mazarin, Richelieu, diese Männer des Denkens und Handelns, die alle drei Kaiserreiche geschaffen oder vorbereitet haben, hinterließen jedweder dreihundert Millionen. Die hatten ein Herz, liebten Frauen und Künste, bauten und eroberten; während mit Ausnahme von Luthers Weibe, der Helena dieser Ilias, alle anderen sich keinen an eine Frau verschwendeten Herzschlag vorzuwerfen hatten. Diese kurze Erklärung war nötig, um Calvins Stellung in Genf zu erklären.
    In den ersten Tagen des Februarmondes anno 1561 langten an einem jener milden Abende, denen man zu dieser Jahreszeit am Genfersee begegnet, zwei Reiter bei der Bischofswiese an, so genannt nach dem ehemaligen Landhause des Bischofs von Genf, den man, es mochte dreißig Jahre her sein, verjagt hatte. Diese beiden Männer, die zweifellos die Genfer Gesetze über das Schließen der Tore kannten, – damals waren sie notwendig, heute sind sie reichlich lächerlich – wandten sich nach dem Rivestore, hielten ihre Pferde aber jählings angesichts eines fünfzigjährigen Mannes an, der auf den Arm einer Dienerin gestützt lustwandelte. Augenscheinlich strebte er der Stadt zu. Dieser ziemlich wohlbeleibte Mann schritt langsam und schwerfällig einher und setzte nicht ohne Schmerzen einen Fuß vor den anderen. Er trug runde schwarze samtene Schnürschuhe.
    »Er ist's«, sagte zu Chaudieu der andere Reiter, welcher vom Pferde stieg, seinem Gefährten die Zügel reichte und sich dem Spaziergänger mit ausgebreiteten Armen näherte.
    Dieser Spaziergänger, welcher tatsächlich Johann Calvin war, fuhr zurück, um die Umarmung zu vermeiden, und warf den strengsten Blick auf seinen Schüler. Mit fünfzig Jahren schien Calvin siebzigjährig zu sein. Dick und fett, wie er war, sah er um so kleiner aus, als schreckliche Blasenschmerzen ihn zwangen, gebeugt einherzugehen. Diese Schmerzen komplizierten sich durch Attacken einer Gicht von übelstem Charakter. Jedermann würde vor diesem fast ebenso breiten wie langen Gesichte gezittert haben. Trotz seiner Rundlichkeit war auf ihm nicht mehr Leutseligkeit zu entdecken als auf dem des schrecklichen Heinrich des Achten, welchem Calvin sehr ähnlich sah. Die Leiden, die ihm keine Ruhe ließen, verrieten sich in zwei tiefen Furchen, die von jeder Seite der Nase ausgingen, indem sie der Schnurrbartlinie folgten und in einem breiten grauen Backenbarte verliefen.
    Wiewohl es rot und flammend war wie das eines Trinkers, zeigte dies Antlitz stellenweise Flecken, wo die Hautfarbe gelb war. Trotz der schwarzen Sammetmütze aber, die den enormen viereckigen Schädel bedeckte, konnte man eine hohe, wohlgeformte Stirn bewundern, unter der zwei braune Augen brannten, die in Zornausbrüchen Flammen sprühten. Sei es seiner Fettleibigkeit, sei es seiner steten

Weitere Kostenlose Bücher