Katharina von Medici (German Edition)
Jahresgehalt. Sein Bruder, ein simpler Schneider, hatte seinen Laden einige Schritte vom Sankt Petersplatze in der Straße, wo sich heute eine der Genfer Buchdruckereien befindet. Bildet solche Uneigennützigkeit, welcher Voltaire, Newton und Bacon ermangeln, die sich aber wie ein glänzender Faden durch Rabelais', Campanellas, Luthers, Vicos, Descartes', Malebranches, Spinozas, Loyolas, Kants und Jean-Jacques Rousseaus Leben zieht, nicht einen köstlichen Rahmen zu dem Bilde jener feurigen und erhabenen Geister?
Robespierres so ähnliches Dasein allein kann den Zeitgenossen das Calvins begreiflich machen, der seine Macht auf die nämlichen Basen gründete, ebenso grausam und ebenso absolut war wie der Advokat aus Arras. Es ist seltsam, die Picardie, Arras und Noyon, hat jene beiden Werkzeuge der Reformation hervorgebracht. Alle, welche die Gründe der von Calvin befohlenen Todesstrafen studieren wollen, werden ein anderes ganzes 1793 in Genf finden. Calvin ließ Jacob Gruet den Kopf abschneiden, weil er »gottlose Briefe« geschrieben, »leichtfertige Lieder« gedichtet und danach getrachtet hatte, die »geistlichen Befehle null und nichtig zu machen«. Überlegt euch dies Urteil, fragt euch, ob die schrecklichsten Tyrannen in ihren Ausschweifungen Beweggründe aufzeigen, die in grausamerer Weise närrisch waren. Valentin Gentilis, der wegen unfreiwilliger Ketzerei zum Tode verurteilt ward, entrann der Hinrichtung nur durch eine öffentliche Kirchenbuße, die viel schimpflicher war als die von der katholischen Kirche auferlegte.
Sieben Jahre vor der Konferenz, die der Vorschläge der Königin-Mutter wegen bei Calvin stattfinden sollte, war Michel Servet, ein Franzose, der durch Genf reiste, dort festgenommen, auf Calvins Anklage hin gerichtet, verurteilt und bei lebendigem Leibe verbrannt worden, weil er »das Mysterium der Dreieinigkeit« in einem Buche angegriffen hatte, welches zu Genf weder geschrieben noch veröffentlicht worden war. Erinnert euch der beredten Verteidigungen des Jean-Jacques Rousseau, dessen Buch, das die katholische Religion auf den Kopf stellte – geschrieben war es in Frankreich, gedruckt in Holland, aber vertrieben ward es in Paris – einfach durch Henkershand verbrannt wurde; sein Verfasser, ein Ausländer, ward lediglich aus dem Königreiche verbannt, wo er die fundamentalen Wahrheiten der Religion und der Macht zu vernichten suchte, – und vergleicht des Parlaments Benehmen mit dem des Genfer Tyrannen. Bolsaeus ward gleichfalls vor Gericht gestellt, »weil er andere Gedanken als Calvin über die Prädestination gehabt hatte«. Wägt diese Betrachtungen ab und fragt euch, ob Fouquier-Tinville Schlimmeres getan hat. Calvins wütende religiöse Intoleranz ist moralisch viel kompakter, viel unversöhnlicher gewesen, als es Robespierres wilde politische Intoleranz war. Auf einer größeren Bühne als Genf es war, würde Calvin mehr Blut vergossen haben als der schreckliche Apostel der mit der katholischen assimilierten politischen Gleichheit. Drei Jahrhunderte vorher hatte ein Mönch, ein Picarde, Peter der Einsiedler, den ganzen Okzident auf den Orient gehetzt. Peter der Einsiedler, Calvin und Robespierre, drei Picarden, sind, jeder mit dreihundert Jahren Zwischenraum, politisch gesprochen, Hebel des Archimedes gewesen. Zu jeder Epoche fand ein Gedanke einen Stützpunkt bei den Interessen und bei den Menschen.
Calvin ist also ganz gewißlich der fast unbekannte Begründer dieser traurigen, Genf genannten, Stadt, wo vor zehn Jahren ein Mann auf einen Torweg, den ersten, der in Genf eingerichtet worden war (vorher gabs dort nur mittelgroße Türen) in der oberen Stadt hindeutend sagte: Durch dies Tor ist der Luxus in Genf eingezogen!
Durch die Strenge seiner Exekutionen und seiner Doktrin führte Calvin dort jenes scheinheilige Wesen ein, welches das Wort Muckertum so trefflich kennzeichnet. Sittlich sein heißt den Muckern, auf die Künste und Lebensannehmlichkeiten verzichten, gut, aber nicht üppig essen und in aller Stille Geld aufhäufen, ohne sich dessen anders zu erfreuen, als es Calvin tat, dem seine Macht in Gedanken Freude bereitete. Calvin gab allen Bürgern die nämliche finstere Livrée und breitete sie über das ganze Leben. In dem Konsistorium hatte er ein wahres Calvinistisches Inquisitionstribunal geschaffen, welches Robespierres Revolutionstribunal durchaus glich. Das Konsistorium bezeichnete dem Rat die zu verurteilenden Leute, und Calvin herrschte dort, wie
Weitere Kostenlose Bücher