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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Obergeschoss bezogen.
    Sando konnte nicht einschlafen. In der Dunkelheit liegend, lauschte er auf die Geräusche der Nacht, die durch die Fensterläden hereindrangen: fernes Gelächter und Geschrei, das überdeckt wurde vom lauten Geknatter kleiner Motorroller, dazwischen das tiefe Brummen schwerer Laster, die sich näherten und wieder entfernten, fremdartige Tierlaute, die von skurrilen Wunschwesen der Bewohner stammen mochten. Sando nahm das Medaillon in die Hand und betrachtete die Madonna, die ihn an Maria erinnerte. Er ließ seine Gedanken schweifen, dachte an seine Klavierstunden mit ihr, an die Marokko-Reise. Mutter und Vater kamen ihm in den Sinn. So leicht ihm der Abschied von ihnen auch gefallen war, als er mit Maria aufbrach zum großen Abenteuer, so sehr vermisste er sie jetzt, da er wusste, dass er sie nie wiedersehen würde. Seine Augen wurden feucht. Er ließ es zu, da er allein und unbeobachtet war. Es tat ihm gut, den Tränen freien Lauf zu lassen.
    Langsam dämmerte er ein. Und plötzlich, im Halbschlaf, hörte er einen unbeschreiblichen Klagelaut. Ganz aus der Nähe war er gekommen. Der Junge saß hellwach in seinem Bett und lauschte. Hatte er sich verhört? Hatte ihm der beginnende Schlaf diesen Laut eingegeben? Eine Zustandsäußerung seiner Seele? Er spürte, wie sein Herz klopfte. Er atmete tief, um sich zu beruhigen.
    Da war es wieder! Das Klagen wehte durch die Fensterläden herein. Sando lugte durch die Lamellen, doch sie schränkten die Sicht ein. Er konnte niemanden entdecken. Unruhig legte er sich wieder ins Bett. Als er endlich einschlief, dämmerte bereits der Morgen herauf.
    Sinas Glöckchen weckte ihn. Die resolute Haushälterin rief zum Frühstück. Sando quälte sich aus dem Bett. Er fühlte sich wie gerädert. Nachdem er sich im Bad ein wenig erfrischt hatte, lief er die Treppe hinunter zur Küche, die im Erdgeschoss lag. Denise saß bereits am gedeckten Tisch. Sina werkelte am Herd und rief ihm einen Gruß zu. Der Geruch gebackener Fladen ließ Sando das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    „Morgen“, sagte er maulfaul und ließ sich gähnend auf den Stuhl fallen, der Denise gegenüber stand.
    „Guten Morgen, Sando. Geht es dir gut?“, fragte Denise besorgt. Sie sah ihm offenbar an, dass seine Nacht nicht sehr erquicklich gewesen war.
    „Danke, es geht schon“, beeilte sich Sando zu versichern, um einer Woge des Mitgefühls zu entgehen.
    Sina kam mit der Pfanne. Sando schob ihr eilig den Teller hin. Lächelnd legte sie einen dampfenden Fladen darauf. Denise dagegen hob abwehrend die Hände.
    Die Haushälterin setzte eine Miene des Bedauerns auf, stellte die Pfanne zurück auf den Herd und verließ geschäftigen Schrittes die Küche.
    „Kann ich ihn haben?“, fragte Sando mit vollem Mund.
    „Aber sicher.“ Denise war froh, dem bedauernswerten Jungen einen Gefallen tun zu können. „Ich bekomme morgens nichts hinunter.“ Vorsichtig schlürfte sie ihren heißen Kaffee. Es sah ganz danach aus, als wollte sie sich damit begnügen.
    Sicher wird sie später umso mehr Kekse in sich hineinstopfen, aber mir soll es recht sein , dachte Sando in Vorfreude auf den zweiten Pfannkuchen.
    „Wo ist Ben Hakim?“, fragte er. „Frühstückt er nicht mit uns?“
    „Er ist längst weg. Ich bin gespannt auf die Nachrichten, die er bringt.“
    „Und wir? Was machen wir?“
    „Warten.“
    Sando seufzte. „Hoffentlich sitzen wir hier nicht fest, bis wir schwarz werden.“
    Es war bereits früher Abend und Sando döste auf dem Bett, als er die Stimme des Alten unten im Hause hörte. Rasch schlüpfte er in seine Jeans, denn die Sachen von Doktor Fasin hatte Sina gerade gewaschen. Behände sprang er die Treppe hinunter, begierig zu wissen, was für Neuigkeiten der Alte mitgebracht hatte. Denise war schon bei ihm und hatte ihm ein Bündel Zeitungen aus der Hand gerissen. Hastig suchte sie nach Berichten, die ihren Fall betrafen.
    Gleich in der ersten Zeitung, der „Makala Press“, wurde sie fündig. Da dieses Blatt in arabischer Sprache erschien, übersetzte sie laut für Sando:
    Mord in der Wüste – korrupte Beamtin beseitigt Mitwisser
    Ein grauenerregendes Bild bot sich Ermittlungsbeamten und Presseleuten gestern in der Nähe des Kreuzes von Makala. Eine außergewöhnlich große Echse hatte einen vollbesetzten Helikopter der neu gegründeten Spezialeinheit KORE („Kommando Retamin“) aus der Luft gefangen und in ihrem Rachen zermalmt. Dieses schwere Unglück, dem auch zwei Kämpfer des

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