Katharsia (German Edition)
„Gut, Vertrauen gegen Vertrauen. Hier ist mein Pass und Sie sehen, mein Name ist Brendel, Sando Brendel.“
„Ich finde es großartig, wie du dich verteidigst, aber ich weiß mehr, als du denkst.“
„Das kann jeder behaupten. Warum rede ich eigentlich mit Ihnen?“ Sando machte Anstalten, sich vom Eckstein zu erheben.
„Weil du etwas über Maria erfahren möchtest.“
Damit hatte ihn Massef wieder.
„Pass auf, ich kann beweisen, dass du Sando Wendelin bist.“
„Da bin ich aber gespannt.“
„Es war am Tag der Helikopterkatastrophe. Ich kam gerade von der Unglücksstelle zurück und fuhr durch das Stadttor, da sah ich zwei staubige Gestalten. Sie sahen aus, als wären sie schon sehr weit zu Fuß unterwegs gewesen. Sicher nichts Ungewöhnliches. Doch ich erkannte in einer der erbarmungswürdigen Figuren eine bekannte Mitarbeiterin der Einwanderungsbehörde. Ich zählte eins und eins zusammen und folgte dem Pärchen. So entstanden diese Fotos.“
Sando erschrak. Die Bilder zeigten Denise und ihn vor Ben Hakims Haus, teils ohne und teils mit dem Alten.
„Da warst du noch Sando Wendelin, auf wunderbare Weise der Katastrophe entkommen.“
„Ich denke, dieses Material würde reichen, die Behörden stutzig zu machen, findest du nicht auch?“
In Sandos Kopf kreiselten die Gedanken. Einfach davonlaufen? Nein, das brachte nichts. Dieser Mann hatte sie in der Hand. Er konnte dafür sorgen, dass sie verhaftet wurden. Er, Sando, musste versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
„Wollen Sie uns jetzt anzeigen oder erpressen?“
Der Reporter lachte. „Nicht doch! Ich bin nicht der Schurke, für den du mich hältst. Ich finde, wir sollten uns gegenseitig helfen.“
„Und wie soll das gehen?“
„Ich bin an einer heißen Geschichte dran und komme im Moment nicht weiter.“
„Was wird das schon für eine Geschichte sein?!“, sagte Sando geringschätzig. „Wollen Sie wieder einen Unschuldigen belasten?“
„Du hast keine gute Meinung von meiner Arbeit, wie?“
„Wie sollte ich? Ich weiß, was Sie über die Helikopterkatastrophe geschrieben haben. Sie schieben alles Denise in die Schuhe. Die wirklichen Fragen stellen Sie nicht.“
„Welche da wären?“
Sando musste nicht lange überlegen. Zu oft hatte er sich über diese Dinge den Kopf zermartert. „Wenn so viele Seelen verschwinden und Retamin in so großen Mengen unterschlagen wird, dann muss man doch fragen, wer dahintersteckt! Selbst wenn Denise beteiligt sein sollte, glauben Sie doch nicht etwa im Ernst, dass sie alles allein hätte zuwege bringen können.“
Massef war sichtlich beeindruckt. „Genau das ist es, was mich nicht mehr schlafen lässt. Ich war entsetzt, als ich vor der riesigen Echse stand. Welch eine Verschwendung von Retamin! Wo sind all die Seelen, denen es weggenommen wurde? Und der Mord an Stadlmeyr – warum hat man uns Reportern in Windeseile Täter präsentiert, deren Schuld gar nicht bewiesen ist?“
„Wir sind unschuldig“, sagte Sando dumpf.
„Ich glaube dir. Aber um andere überzeugen zu können, muss ich wissen, was dort draußen geschehen ist. Ihr seid die einzigen überlebenden Zeugen.“
Sando schwankte. Konnte er dem Reporter vertrauen? Einerseits klang es vernünftig, was er da sagte. Andererseits war es ein sicherer Schutz für Denise und ihn, wenn alle Welt glaubte, sie seien tot. Das konnte er jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel setzen – schon gar nicht, ohne Denise und Ben Hakim zu fragen. Er hatte schon genug Unsinn angestellt.
Massef ahnte, was den Jungen beschäftigte. Er reichte ihm eine Visitenkarte und sagte: „Besprich es mit ihnen. Ruft mich an, wenn ihr mir helfen wollt. Es würde mich freuen.“
Sando nickte und steckte die Karte weg. Massef hielt ihm die Hand zum Abschied hin. Sando erhob sich vom Eckstein und ließ den Kopf hängen. „Und Maria?“, fragte er leise.
Massef schmunzelte. „Na, du machst mir Spaß, Junge. Die Spielregel in meiner Branche heißt: Information gegen Information. Ich kann mich nicht erinnern, von dir etwas erfahren zu haben.“
Sando seufzte enttäuscht und trabte los.
„Warte! Nicht so schnell!“, rief ihm Massef hinterher. „Spielregeln können ja auch geändert werden. Sagen wir: Information gegen Vertrauen.“
Er schrieb etwas auf einen Zettel und übergab ihn Sando. „Ihr jetziger Name und die Adresse.“
Sando lief rot an vor Freude, als er den Zettel in den Händen hielt. Auf dem Basar, das war Maria gewesen, da war er sich ganz sicher.
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