Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
und Gebete und sprach sogar einen kurzen Segen auf Hebräisch, bevor er weiter aus der heiligen Schrift vorlas: »Nimm unseren Dank für diesen Ort entgegen ... und verschone alle, die hier leben, von Bitterkeit, Prahlerei und Hochmut. Lenke das Herz der Eltern auf ihre Kinder, und fördere die Wohltätigkeit zwischen uns allen, damit wir noch freundlicher und liebevoller miteinander in Verbindung treten können. Amen.«
Es folgten noch ein paar Sätze, am besten aber erinnere ich mich an den Begriff »liebevoll miteinander in Verbindung treten« – denn genau dazu kam es, und zwar sehr rasch.
John und ich wurden bald gute Freunde, und wir einigten uns auf die Strategie der offenen Tür – wann immer wir wollten, besuchten wir einander. »Ich glaube, wir haben rasch Vertrauen zueinander gefasst«, sagte John einmal zu mir. »Und weil du Pearl sehr nahestandest, hat sie beschlossen, Ryan und mich in ihren Kreis aufzunehmen. Katie war natürlich das Bindeglied zwischen dir und Pearl, und ich mag Hunde sehr. Ich vermisste meine Hunde, und deshalb wurde Katie auch rasch in unserem Haushalt aufgenommen.«
John wurde für mich fast wie der Bruder, den ich nie gehabt hatte. Wir gingen zusammen zum Essen und zu den Treffen im Stadtteilzentrum und verbrachten viele Stunden gemeinsam mit dem »Kid« – wie wir Ryan immer nannten – und Granny. Außerdem war John mein technischer Beistand, er konnte nahezu alles reparieren oder installieren – und er tat es auch.
Ob mein Computer wieder einmal abgestürzt war oder ich Hilfe beim Internet oder beim SMS-Schreiben brauchte, bei der Handhabung des E-Mail-Programms oder sonst einer technischen Angelegenheit – immer war John zur Stelle. Einmal hatte ich Riesenprobleme mit dem Homebanking, alle Dateien waren verschwunden. John bot an, sie wiederherzustellen, und es gelang ihm tatsächlich, auch wenn es ihn einige Stunden Zeit kostete. Das war typisch für seine Großzügigkeit.
Weil ich arbeitslos war und gravierende körperliche Beschwerden hatte, war seine Anwesenheit besonders aufmunternd. Es war ein richtiger Luxus, einen Gleichaltrigen zum Reden zu haben, ein paar Türen weiter, fast wie in einem Studentenwohnheim. Tag und Nacht konnte ich die fünfunddreißig Meter von der einen Wohnung zur anderen zurücklegen, um ein bisschen zu plaudern. Und Katie hatte immer Lust darauf, mit Ryan zu spielen.
John faltete die Wäsche, oder er sortierte Ryans zahlreiche Spielsachen, während wir über dies oder jenes sprachen. Oft unterhielten wir uns über die Leute im Stadtteilzentrum und lästerten dabei auch manchmal über einige der schrägeren Vögel, die einem dort über den Weg liefen. Aber wir tauschten natürlich auch persönliche Geschichten aus und mussten lauthals über den Wahnsinn von Blind Dates lachen und die Achterbahnfahrten einer romantischen Beziehung. John war mit Ratschlägen eher zurückhaltend, doch er war ein ausgezeichneter Zuhörer und ging viele Dinge philosophisch an. Oft sprach er davon, wie wichtig es sei, »loszulassen« und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Unser Hauptthema aber war Ryan und die Beziehung, die er zu Katie, Pearl, Arthur und mir entwickelte.
Als ich John näher kennenlernte, verstand ich zunehmend besser, wie schwer er es als alleinerziehender Vater hatte. Er musste die Mutter- und die Vaterrolle übernehmen, Ryan anziehen, ihn baden, ihm vorlesen und mit ihm Fußball spielen; und gleichzeitig hatte er auch noch einen Vollzeitjob und musste einkaufen, putzen und kochen.
Dreizehn Jahre lang hatte er in einer Beziehung gelebt, bei der sich beide die Kindererziehung geteilt hatten, doch nach dem Ende der Beziehung war die ganze Last auf John gefallen. Manchmal wirkte er sehr erschöpft.
Er brauchte Hilfe.
Ryan war ein ausgeglichenes Kind und sehr glücklich mit »Daddy John«, wie er ihn nannte, aber Fakt war, er hatte keine Mutter in der Nähe und auch keine Großeltern, und seine Onkel, Tanten und deren Kinder lebten alle im Mittleren Westen.
Blieben nur wir – und wir halfen nur zu gerne aus.
»Als wir einzogen, wurde Pearl rasch Ryans Ersatzgroßmutter«, fuhr John nach einer Weile fort. »Meine Mutter und mein Vater waren tot, es gab keine Großeltern – sie kam gerade recht.«
Anfangs plagte Ryan allerdings eine gewisse Trennungsangst. Das wäre wohl bei jedem Kind so gewesen.
Einmal, als John bei der Arbeit war und ich auf Ryan aufpasste, nahm ich ihn mit zur Bank. Katie lief hinter uns her. Auf einmal fing Ryan
Weitere Kostenlose Bücher