Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
Zustand war wirklich erbärmlich. Fünf Tage lang lag sie hilflos, blass und kraftlos in ihrem Bett und verlor immer wieder das Bewusstsein.
Doch als man endlich den Respirator abschaltete, dauerte es nicht lang, bis sie wieder munterer wurde. »Wo ist Lee?«, wisperte sie und griff nach meiner Hand, sobald sie die Augen aufgeschlagen hatte.
»Sie ist hier«, erwiderte ich und holte unsere Freundin herein, die es wie immer schaffte, Pearl aufzuheitern.
»Hi, Pearlie«, gurrte Lee und schenkte Granny ein strahlendes Lächeln. Sie nahm ihre Hand und gab ihr einen herzlichen Kuss.
Pearl freute sich sehr. »Wie bin ich bloß in diese Klemme geraten?«, witzelte sie.
»Wir holen dich bald wieder raus«, versicherte Lee ihr und hielt ihr einen Becher Wasser mit einem Strohhalm an die Lippen.
Trotz all der Schmerzmittel, die Pearl verabreicht wurden, zeigte sich rasch wieder ihr unnachahmlicher Humor, was mich sehr beruhigte. Auf der Intensivstation gab es zum Beispiel einen Polizisten, der einen Gefangenen im Raum neben Pearl bewachen sollte. Pearl, die liebend gern schäkerte, warf ihm immer wieder einmal einen Blick zu, klimperte mit den Wimpern und lud ihn zu einem kleinen Plausch ein.
»Officer, ich könnte ein wenig Schutz gebrauchen«, sagte sie kichernd. In einem Gespräch mit ihm fand sie heraus, dass er deutsche Vorfahren hatte. Als er ein paar Brocken Deutsch herausbrachte, antwortete ihm Pearl ebenfalls auf Deutsch, obwohl sie später behauptete, nicht Deutsch zu sprechen.
»Halten Sie Ihre Waffe bitte immer griffbereit«, flüsterte sie verschwörerisch. »Ich traue niemandem in diesem Krankenhaus.«
Meist war sie hellwach und völlig klar, doch ab und zu war sie desorientiert, manchmal sogar paranoid. Man sagte uns, das könnte eine Nebenwirkung ihrer Medikamente sein.
Als sie aus der Intensivstation in ein normales Krankenzimmer verlegt wurde, war sie zum Beispiel davon überzeugt, dass ihre Zimmergenossin, eine ältere Chinesin, versuchte, sie zu bestehlen, während sie schlief.
»Granny«, versuchte ich, sie zu beruhigen. »Das würde die Frau nie tun. Sie kann ja nicht einmal laufen.«
»Wie dem auch sei – ich traue ihr nicht über den Weg«, erwiderte Pearl, übergab mir ihren Geldbeutel und sagte, ich solle ihn mit nach Hause nehmen.
Einmal schien sie richtig zu halluzinieren. »Wo ist Arthur?«, fragte sie und packte meinen Arm. Offenbar meinte sie, er sei noch am Leben.
Ich hoffte, Pearl am schnellsten wieder in die Realität zurückzuholen, wenn sie mit Sie-wissen-schon-wem vereint würde.
Also tat ich, was Granny einmal für mich getan hatte: Ich schmuggelte Katie ins Krankenhaus, versteckt in der großen Einkaufstasche und mit einem Handtuch bedeckt. Nur ihre Nasenspitze lugte hervor.
»Mein Mädchen bricht das Gesetz!« Pearl schmunzelte und war begeistert, als Katie aus der Tasche zu ihr aufs Bett kletterte. Katie wimmerte vor Freude und konnte gar nicht mehr aufhören, Pearl mit Küsschen zu bedecken, bis sie schließlich unter die Decke kroch und versteckt vor den Blicken der Schwestern einschlief. Die zwei waren selig.
Granny verbrachte noch zwölf Tage im Krankenhaus. »Sie macht sich sehr gut«, versicherte der Arzt mir, doch ich konnte es ihm nicht recht glauben. Die Entzündung war zwar verschwunden, und die Operation war erfolgreich gewesen, doch Pearl war nicht mehr dieselbe. Manchmal redete sie wirres Zeug, und sie war sehr schwach. Sie war nur noch ein Schatten der Frau, die noch vor wenigen Jahren alle Hausarbeiten – putzen, einkaufen, kochen – selbst erledigt hatte.
Ich hatte den Eindruck, dass die Ereignisse des 11. September und die Operation, der sie sich wenig später hatte unterziehen müssen, ihr schwer zugesetzt hatten.
Wir waren alle froh, als es endlich so weit war und sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. In ihrer Undercover-Tätigkeit als Schwesternhelferin hatte Katie viel dazu beigetragen, Pearls Stimmung aufzuhellen. Sie hatte jeden Tag mit ihr im Bett gekuschelt. »Die beste Therapie«, erklärte Pearl. Aber wir konnten uns nichts vormachen: Wir mussten eine Hilfe für Granny besorgen, weil sie sich nicht mehr allein versorgen konnte.
Einmal hatte sie mir gesagt: »Erschieß mich, wenn ich in dieses Alter komme!« Das wollten wir nicht, und wir zogen auch nicht in Betracht, sie in ein Pflegeheim zu schicken. Pearl sollte nach Hause, auch wenn sie dort viel Hilfe benötigen würde.
Da sie stets so großen Wert auf ihre Unabhängigkeit gelegt
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