Katie Chandler 01 - Hex and the City-ok-neu
unsichtbar.
Ich wandte mich um und sah Owen im Flur stehen. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet und seine Haare ganz durcheinander, als wäre er gleich losgelaufen, als er mich schreien hörte. Owen, mein guter Freund und Superheld. Aber er war nicht der süße, schüchterne Typ, den ich in der Woche zuvor kennen gelernt hatte. Er sah aus wie jemand, mit dem ich mich lieber nicht anlegen würde. Wenn ich das Quäntchen unterdrückte Aggression an ihm zuvor schon sexy gefunden hatte, dann war er jetzt rattenscharf. Plötzlich verstand ich, warum die weiblichen Hauptfiguren in Superheldenfilmen nach vollendeter Tat immer ohnmächtig in die Arme ihrer Retter in Gymnastikanzug sanken. Nicht weil sie Mimosen oder hysterische Tussen waren. Man bekam einfach auf eine sehr angenehme Art weiche Knie, wenn man sah, wie ein Mann etwas Außergewöhnliches oder Übernatürliches tat, um einen zu retten. Dass Macht sexy macht, hatte ich ja schon gehört, aber was es alles mit sich bringen konnte, wenn ich für ein magisches Unternehmen arbeitete, hatte ich mir gar nicht klar gemacht.
Der an der Wand festhängende Mann versuchte sich gegen das, was Owen mit ihm gemacht hatte, zur Wehr zu setzen. Er murmelte etwas in einer fremden Sprache, wedelte mit den Händen und rümpfte sogar die Nase. Ich spürte, dass die Luft vor lauter aktivierten magischen Kräften förmlich knisterte, aber es nutzte ihm nicht viel. Er blieb genau da, wo er war.
»Wer sind Sie?«, fragte Owen in einem weichen, aber dennoch gebieterischen Ton.
Der Mann öffnete den Mund, um zu sprechen, so als zwänge ihn irgendetwas dazu. Aber dann gelang es ihm unter Mühen, seinen Mund wieder zu schließen. Owen hielt seine Hand auf, und die Papiere, die der Mann unter seiner Jacke versteckt hatte, flatterten zu ihm hin. Der Mann versuchte weiter, sich zu befreien. Owen wedelte beiläufig mit der Hand durch die Luft, und der Eindringling sank benommen zu Boden.
Jetzt verstand ich, was Rod gemeint hatte, als er erzählte, Owen wäre aus Sicherheitsgründen zur Schüchternheit erzogen worden.
Der Eindringling keuchte und schwitzte vor Anstrengung, während Owen nicht mal eine Schweißperle auf der Stirn stand. Mir leuchtete ein, dass jemand so Mächtiges besser kein allzu großes Ego hatte oder gar das Gefühl, alle anderen schuldeten ihm etwas. Wenn so einer sich dann in den Kopf setzte, die Welt beherrschen zu wollen, konnte man ihn nicht so leicht stoppen.
Na, typisch! Ich hatte mich in einen Typen verguckt, der in sehr, sehr vielen Punkten absolut nicht meine Liga war. Ein supermächtiger Zauberer passte eigentlich so gar nicht zu meinem Lebensstil. Ich konnte mir schon ausmalen, wie es wäre, wenn ich ihn mit nach Hause brächte, um ihn meinen Eltern vorzustellen. Es würde mir ja schon genug Probleme bereiten, denen meinen Job zu erklären. Aber wie sollte Owen von seinem Job erzählen können, ohne dass mein Vater rausging und seine Schrotflinte holte, um diesen Irren von der Seite seiner Tochter zu vertreiben? Falls ich meine Immunität gegen Zauberei von meinen Eltern geerbt hatte, war es sogar noch schlimmer. Dann war es äußerst unklug, einem Angehörigen der magischen Welt Zugang zu meiner privaten Welt außerhalb des Jobs zu gewähren. Aber es war ja nicht so, dass Owen auch nur das geringste Interesse hatte, nach Texas zu fahren und meine Familie kennen zu lernen. War nicht während meines Vorstellungsgesprächs die Rede davon gewesen, Texas wäre eine absolut unmagische Gegend?
Die Tür der Abteilung ging auf, und Sam kam, gefolgt von einer Truppe kräftiger Männer, hereingeflogen. »Das hat ja ganz schön lange gedauert«, sagte Owen und klang schon wieder mehr wie er selbst.
»Ach, ich wusste doch, dass Sie hier alles unter Kontrolle haben, Boss«, erwiderte Sam und landete vor dem Eindringling. »Führt ihn ab, Jungs.«
»Nehmt ihn in Sicherheitsverwahrung. Wir werden später noch ein paar Takte mit ihm zu reden haben«, wies Owen an.
Sam salutierte mit einem Flügel und flog dann den Sicherheitskräften hinterher, die den starren Körper durch den Flur davonschweben ließen. Kaum waren sie weg, ließen auch die Kraft und die Spannung, die den Gang erfüllt hatten, nach. Ich versuchte aufzustehen, doch eine Hand auf meiner Schulter drückte mich wieder nach unten. Als ich hochschaute, sah ich, dass Owen sich mit besorgter Miene über mich beugte. Anschließend drehte er sich um und sagte: »Alle Mann zurück an die Arbeit.« Die Leute
Weitere Kostenlose Bücher