Katie Chandler 02 - Alles ausser Hex-ok-neu
»Ich bin sicher, er handhabt das flexibel, wenn Sie es wollen. Aber abgesehen von diesem Problem freuen Sie sich doch, Ihre Familie zu sehen, oder?« Er klang geradezu besorgt.
»Ja, ich freue mich. Aber ich frage mich vor allem, was sie von der Stadt und meinem Leben hier halten werden. Sie haben sich solche Sorgen gemacht, als ich hierher zog. Ich habe ein bisschen Angst, dass diese ganze Reise nur ein Vorwand ist, um mich wieder nach Hause zu zerren. Wenn ich hinfahren und sie besuchen würde, wäre alles viel einfacher.«
»Aber so können Ihre Eltern sehen, was Sie an dieser Stadt mögen. Vielleicht sind sie ja stolz auf Sie, weil Sie sich hier zurechtfinden. Und wenn sie einmal selbst die Realität sehen, statt nur ihre Ängste zu kultivieren, können sie vielleicht auch besser damit leben, dass Sie hier wohnen.«
»Da kennen Sie meine Eltern aber schlecht.«
Er lachte. »So schlimm können sie gar nicht sein. Alle Eltern machen sich hin und wieder Sorgen. Und ihre Sorgen sind normalerweise viel schlimmer, als die Realität es je sein könnte.«
Ich starrte ihn an. »Sie glauben, meine Eltern befürchten noch Schlimmeres, als dass ich in einen magischen Kampf zwischen Gut und Böse verstrickt bin und in einer Firma arbeite, in der ein feindlicher Spion sein Unwesen treibt?« Ich ging einen Moment in mich. »Jetzt, wo ich drüber nachdenke: Wie ich meine Mutter kenne, befürchtet sie tatsächlich noch Schlimmeres.«
»Es ist ja auch gar nicht gesagt, dass sie von den magischen Problemen etwas mitbekommt, wenn sie hier ist.«
Bevor ich dem etwas entgegensetzen konnte, bemerkte ich etwas am Himmel; ein Ding, das größer war als eine Taube und immer noch größer wurde, je näher es kam. Ich packte Owen am Arm und schubste ihn zur Seite, bevor ein hässliches Wesen, halb Frau, halb Vogel, im Sturzflug auf uns niederstieß.
Bei meiner letzten Begegnung mit so einem Ding hatte es seine Klauen in Owens Schulter geschlagen.
Die Harpyie erhob sich wieder in die Luft und setzte dann erneut zum Sturzflug an.
»Was ist das?«, fragte Owen mit gepresster Stimme.
»Eine Harpyie, glaube ich.«
Er runzelte kurz die Stirn und nickte dann. »Alles klar.« Im gleichen Moment flog die Harpyie gegen eine unsichtbare Mauer in der Luft und landete mit einem lauten Klatschen auf dem Gehsteig. Ein Pendler im Businessanzug wich ihrem Leichnam lässig aus und lief einfach weiter, als sähe er jeden Tag tote mythologische Wesen, wenn er zur Arbeit ging. Ich fragte mich, was er wohl anstelle der Harpyie sah – einen Müllhaufen vielleicht? Der Anblick von Müll wäre auf einem New Yorker Gehsteig nichts Ungewöhnliches gewesen, doch soweit mir bekannt war, fiel Müll trotzdem nicht einfach so vom Himmel. Die Fähigkeit der New Yorker, sich auf ihre eigenen Angelegenheiten zu konzentrieren und dabei alles andere einfach auszublenden, erstaunte mich immer wieder.
Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen. »Das ist genau der Grund, weshalb ich nicht möchte, dass meine Eltern nach New York kommen. Wie soll man so etwas denn erklären? Soll ich ihnen vielleicht erzählen, die Leute, die auf der Straße leben, würden sich mit Tauben paaren?«
»Ihren Eltern würde doch wahrscheinlich gar nichts Ungewöhnliches auffallen.«
»Und was würden sie dann also sehen, wenn plötzlich irgendwas vom Himmel herabstoßen und anfangen würde, sie in Fetzen zu reißen? Das wird ja niemand normal finden.«
Er nahm meinen Arm und führte mich zurück in den fließenden Fußgängerverkehr Richtung U-Bahn.
»Ich bezweifle, dass sie Ihren Eltern etwas tun würden. Diese Attacke zielte doch wahrscheinlich auf mich ab, und wie ich Phelan Idris kenne, möchte er mich eher erschrecken, als mich zu verletzen. Wenn ich darüber nachgrübele, wie man die Stadt gegen Angriffe von Harpyien schützen kann, arbeite ich nicht an Gegenzaubern zu seinen Formeln.«
»Letztes Mal hat er Sie mit so einem Ding fast umgebracht«, erinnerte ich ihn.
»Das war bloß eine Fleischwunde. Aber für den Fall der Fälle werde ich mit Sam reden und ihn bitten, ein paar Bodyguards abzustellen, die für die Sicherheit Ihrer Eltern sorgen.«
»Ich weiß ja, dass Sie es nur gut meinen, aber die Vorstellung, dass eine Schar von Gargoyles meinen Eltern durch die Stadt folgt, ist in meinen Augen auch nicht besonders beruhigend.«
Wenn der Weg zur Arbeit an diesem Tag schon Ungewöhnliches bereithielt, ging es im Büro noch abgedrehter zu. Von dem Moment an, in dem wir
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