Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
Väter.« Maiwald stieß einen Laut aus, ein unterdrücktes Stöhnen. »Da habe ich rotgesehen. Ich habe auf sie eingeschlagen, sie getreten, auch als sie schon am Boden lag und nur noch wimmerte. Ich habe noch nie einen Menschen so gehasst wie diese Frau in diesem Augenblick. Nicht einmalBrindi.« Er sah Halverstett an. Über sein Gesicht liefen Tränen. »Es war das erste Mal, dass ich einem Menschen etwas angetan habe. Ich war nicht ich selbst.«
»Und dann haben Sie sie in den Grafenberger Wald gefahren?«
»Ich dachte, sie sei tot. Bitte glauben Sie mir. Ich habe sie oben am Parkplatz im Wald hingelegt, wo man sie schnell finden würde. Sie sollte ja nicht tagelang so darumliegen .«
Halverstett beschloss, dass dies für den Augenblick genügte. Er rief einen Kollegen, der Maiwald in eine der Zellen des Präsidiums abführen sollte. Als der Beamte ihm Handschellen anlegen wollte, blickte Maiwald zu Halverstett.
»Ist schon in Ordnung«, bat dieser den Mann. »Bitte nimm ihn so mit.«
Der Polizist warf Halverstett einen zweifelnden Blick zu. Doch der blieb stur. »Geht auf meine Kappe.«
Als die beiden das Büro verlassen hatten, trat Halverstett ans Fenster. »Was für ein verworrener Mist.«
»Und wo Katrin und Brindi stecken, wissen wir immer noch nicht«, ergänzte seine Kollegin.
Plötzlich zuckte Halverstett zusammen. Er stürzte zur Tür und riss sie auf. Atemlos hechtete er den Gang hinunter. Er kam gerade noch rechtzeitig, um Maiwald kurz in die Augen zu sehen, bevor er verschwand.
Das Foyer des Düsseldorfer Polizeipräsidiums ist eine große Halle, von der neben der breiten, gläsernen Eingangstür in vier Richtungen Gänge abgehen. Es ist so etwas wie das Herzstück des Gebäudes, der Knotenpunkt, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Dem Haupteingang gegenüber fährt ein Paternoster Beamte und Besucher in die oberen Etagen. Die Halle selbst ist eine Art großes, kreisrundes Treppenhaus und von allen Stockwerken aus kann man hinuntersehen bis in den Eingangsbereich. Die Kriminalgruppe eins, zuständig für Todesermittlungen, ist im zweiten Stock angesiedelt.
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Maiwald beugte sich über das Geländer und im nächsten Augenblick war er verschwunden. Kein Schrei, kein lauter Aufprall. Nur lähmende Stille.
In der Gerichtsmedizin wurde später festgestellt, dass der Mann sich beim Aufschlagen das Genick gebrochen hatte. Er war sofort tot.
20
Manfred erfuhr von einem Kollegen, was im Präsidium vorgefallen war. Er war erleichtert, nun nicht mehr unter Verdacht zu stehen, aber vor allem war er enttäuscht. Er hatte gehofft, dass mit der Aufklärung des Mordes an Dagmar auch endlich ans Licht kommen würde, was mit Katrin geschehen war. Doch nun sah es so aus, als hätte das eine Verbrechen mit dem anderen gar nichts zu tun, zumindest nicht unmittelbar.
Gemeinsam mit Roberta fuhr er zum Jürgensplatz. Katrins Freundin hatte vormittags einen Anruf von der Polizei bekommen. Man wollte ihr Fotos von Mario Brindiund von Elko Mirth zeigen, dem Mann, dessen Fingerabdrücke man in Katrins Golf gefunden hatte. Sie sollte sagen, ob einer von beiden vielleicht der Mann war, der Katrin am Freitagabend in der Stadt ihren Handschuh gegeben hatte. Roberta war nervös. Die Last der Verantwortung erdrückte sie fast. Dabei hatte sie ja schon am Sonntag nicht mehr sicher sagen können, ob es sich bei dem Mann um Brindi handelte. Sonst hätte sie das der Polizei ja längst mitgeteilt. Inzwischen war Mittwoch. Fünf Tage waren vergangen, seit sie den Unbekannten gesehen hatte, und obwohl sie immer wieder versucht hatte, sich seine Gesichtszüge ins Gedächtnis zu rufen, hatte sie mehr und mehr das Gefühl gehabt, er entgleite ihr. Inzwischen hatte sie so oft auf das Foto von Brindi gestarrt, das Manfred aus dem Internetheruntergeladen hatte, dass die zwei Gesichter in ihrem Kopf zu einem einzigen verschmolzen waren, ohne dass sie wusste, ob sie auch wirklich zu ein und derselben Person gehörten.
Ein junger Beamter legte ihr die zwei Fotos vor und sie zögerte zu ihrer eigenen Überraschung nicht eine Sekunde. Plötzlich war alles klar. Sie tippte auf eins der Bilder.
»Das ist er. Den Mann haben wir am Freitagabend in der Stadt gesehen.«
»Sind Sie sicher? Sie können sich ruhig Zeit lassen.«
Der Polizist blickte sie freundlich an.
»Danke. Aber ich brauche nicht mehr Zeit. Ich bin mir sicher. Das ist der Mann.«
Der Polizeibeamte bedankte sich und wollte sich
Weitere Kostenlose Bücher