Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
schleuderte. Der Fahrer kam dabei ums Leben.«
Manfred wurde blass. »Mirth?«
Rita Schmitt nickte. »Es kann sein, dass Katrin seit Tagen irgendwo eingesperrt ist, ohne dass sich jemand um sie kümmert. Nichts zu essen, nichts zu trinken. Wir wissen nicht einmal, ob dieser Ort überhaupt warm genug ist. Wenn sie in einer Garage, einem Keller oder in einer Hütte im Wald ist, droht sie zu erfrieren.«
»Oder zu verdursten.« Roberta hatte sich auf den Stuhl gesetzt, auf dem sonst Halverstett saß, wenn er seine Berichte schrieb. »Wie lange kann ein Mensch ohne Wasser überleben?«
»Normalerweise 72 Stunden.« Rita sah ihr fest in die Augen, während sie antwortete. Roberta starrte sie fassungslos an. »Das sind drei Tage! Sie ist seit fünf Tagen weg!« Ihr Blick flog zu Manfred, der zu ihr trat und ihr eine Hand auf die Schulter legte.
»Ich habe mich schon vorgestern informiert.« Seine Stimme war dünn. So als bereite ihm jedes Wort unendliche Mühe. »Es kann auch bis zu einer Woche dauern. Vor einigen Jahren war eine Frau in der Türkei nach einem Erdbeben 105 Stunden verschüttet und lebte noch, als man sie fand. Es kommt immer auf die Umstände an. Hätten wir jetzt dreißig Grad im Schatten, sähe es schlecht aus. Aber was das angeht, ist das Wetter auf unserer Seite.«
Er versuchte ein schwaches Grinsen, aber es gelang ihm nicht. Kaum hörbar sprach er weiter.
»Was machen wir jetzt? Wo, verdammt noch mal, sollen wir anfangen zu suchen? Es gibt niemanden, der weiß, wo sie steckt. Absolut niemanden. Die einzigen Menschen, die das Versteck kannten, sind beide tot.«
***
Veronika Halverstett musterte die Besucherin kritisch, die sich als Rita Schmitt vorstellte. »Sie sind also die Kollegin meines Mannes«, sagte sie statt einer Begrüßung und bat die Frau hinein. Die junge Polizistin konnte nicht umhin, ihren Blick neugierig durch das Haus des Mannes schweifen zu lassen, mit dem sie tagtäglich zusammenarbeitete. Was sie sah, gefiel ihr. Es war viel wohnlicher und wärmer als sie es dem oft verschlossenen und eigenbrötlerischen Polizisten zugetraut hätte. Sie vermutete allerdings, dass die Wohnlichkeit eher das Werk der künstlerisch begabten Frau war, mit der er zusammenlebte, und dass Halverstett selbst sich vermutlich auch in einer wesentlich spartanischeren Umgebung wohl fühlen würde, ohne etwas zu vermissen.
Er stand am Fenster und starrte in den Garten, als sie das Wohnzimmer betrat. An den Scheiben klebten kunstvoll gearbeitete Strohsterne und in der Ecke des Raums stand ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum. Halverstett drehte sich um, als Rita zu sprechen begann. Sie kam ohne Umschweife zum Thema.
»Es ist, wie du vermutet hast. Mirth scheint der Entführer zu sein. Roberta Wickert hat ihn eindeutig identifiziert. Angeblich hatte Dagmar Ülzcin geplant, BrindisUnschuld zu beweisen. Das hat jedenfalls ihre Schwester Kabritzky erzählt. Ich nehme an, sie hat Mirth beauftragt, eine Frau zu entführen und dabei genau nach dem Muster vorzugehen, das von Brindi bekannt war. So wollte sie erreichen, dass die alten Fälle noch einmal aufgerollt werden. Sie kannte Mirth übrigens schon länger. Sie hat mal eine Reportage über den Alltag im Gefängnis geschrieben und ihn bei ihren Recherchen kennen gelernt. Das haben wir inzwischen rausgefunden .«
Halverstett machte eine zustimmende Kopfbewegung. »Vermutlich war sie diejenige, die alle Details der Entführung geplant hat. Und dann war sie es auch, die Katrin Sandmann ausgewählt hat. Deshalb war Katrins Visitenkarte in ihrer Tasche. Mirth hat nur ausgeführt, was sie geplant hat. Eine solche Tat hat er auch bisher gar nicht begangen. Vermutlich hat Dagmar ihm eine schöne Summe Geld versprochen. Und für ihn war es einfach ein Job.«
»Fragt sich nur, wie das Verschwinden Brindis da reinpasst. Das kann Dagmar doch unmöglich gewollt haben. Aber für einen Zufall kann ich das auch nicht halten.«
»Vielleicht hat sie ihm gesagt, dass sie vorhat, seine Unschuld zu beweisen. Vielleicht hat sie ihm sogar das Datum genannt und ihm gesagt, dass das sein großer Tag sein wird. Irgend so was in der Art. Und er hat es als Aufforderung zum Ausbruch verstanden. Könnte doch sein.«
»Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Brindi überhaupt ein Interesse daran hatte, dass jemand das alles noch mal aufrollt. Er ist doch schuldig. Was hätte er davon? Da ist auch noch etwas anderes. Angeblich ist der Mann todkrank. Der Arzt, der ihn
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