Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
früheren Opfer des vermutlichen Täters? Maiwald war Brindi nie persönlich begegnet. Er kannte ihn nur aus dem Gerichtssaal. Und den anderen Verdächtigen, Manfred Kabritzky, kannte er auch nicht. Rita Schmitt ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. Plötzlich dämmerte ihr etwas. Maiwald kannte die beiden Verdächtigen nicht. Aber was war mit dem Opfer?
Hauptkommissar Halverstett sprach das Datum und den Namen der befragten Person, Helmut Maiwald, in das Gerät. Dann wandte er sich an den Mann.
»Wer sind die Leute, mit denen Sie draußen vor dem Präsidium Mahnwache halten?«
Maiwald zuckte die Schultern. »Alle kenne ich auch nicht. Ein paar davon gehören zu einer Initiative gegen den Maßregelvollzug. Sie nennen sich ›Bürger für den Bürgerschutz‹. Die wollen, dass Kerle wie Brindi für immer hinter Schloss und Riegel bleiben. Keine Therapie, keine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Statt dessen Sicherheit für anständige Bürger.«
»Was ist mit Ihnen, Herr Maiwald? Gehören Sie auch dazu?«
»Hab ich mal. Damals vor drei Jahren, als es darum ging, was mit Brindi passieren sollte, da haben sie mich angesprochen. Ich habe eine Zeit lang mitgemacht, aber das war nichts für mich.«
»Wessen Initiative ist die Mahnwache? Ich nehme an, diese Organisation hat sie ins Leben gerufen?«
Maiwald nickte. »Sie haben mich angerufen. Sie sagten, wenn ich dabei wäre, wäre die Wirkung viel dramatischer. Ich stünde für die Opfer. Irgend sowas.«
»Und die anderen Leute?«
»Ach, das ist so ein zusammengewürfelter Haufen, glaube ich. Ein paar davon gehen angeblich zu jeder Demo, ist sozusagen deren Hobby. Ich kenn’ mich da nicht aus. Ich habe auch kein Wort mit denen gewechselt.«
»Und die von der Initiative? Haben die noch etwas anderes unternommen als zu demonstrieren? Haben sie vielleicht versucht, Brindi zu finden?«
Maiwald senkte seinen Blick. Er musterte die Papiere, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Es war die Rede davon, ihn zu suchen. Aber die Mehrheit war dagegen.«
»Wie sollte denn vorgegangen werden?«
»Einer wusste was von dieser Frau.«
Rita Schmitt horchte auf. Langsam wurde ihr klar, welches Stück hier gespielt wurde. Und sie wusste auch, dass es ihr nicht gefiel.
Halverstett hakte nach: »Was für eine Frau?«
»Sie wissen schon, die Tote. Dagmar irgendwas.«
»Und was wusste man über sie?«
»Dass sie Mario Brindi für unschuldig hielt, dass sie ihn vielleicht befreit hat. Sie war verrückt. Sie hatte sich total verrannt. Sie konnte die Wahrheit gar nicht mehr sehen. Ich meine, dieses Schwein hat doch gestanden oder? Er ist von einem Gericht verurteilt worden, weil er ein Geständnis abgelegt hat. Wie kann die nun daherkommen und ihn aus der Klinik befreien? Wusste sie etwa besser Bescheid als die Polizei? Das war eine Irre.« Maiwald hatte sich in Rage geredet. Während er sprach, fixierte er den Kommissar aufgebracht. Kaum hatte er zu Ende gesprochen, senkte er jedoch den Blick wieder.
Rita brannten jede Menge Fragen auf der Zunge. Aber sie schluckte sie herunter und überließ Halverstett weiterhin das Wort. Er hatte die Wahrheit vor ihr erkannt. Nun sollte er die Sache auch zu Ende bringen.
»Sie konnten nicht begreifen, warum diese Frau so verblendet war, stimmt’s? Warum sie so verbohrt an etwas geglaubt hat, das nicht den Fakten entsprach.«Halverstett suchte Maiwalds Blick, aber der Mann hielt den Kopf immer noch gesenkt. Also fuhr er fort. »Es hat Sie unglaublich wütend gemacht, dass Dagmar die Wahrheit nicht sehen wollte. Es war, als würde sie Carolin damit noch einmal töten.«
Maiwald nickte kaum merklich. »Sie hat etwas von Brindis schwerer Kindheit erzählt. Allein mit Mutter und Schwester, beide dominant und überfürsorglich. Angeblich haben sie ihm alles abgenommen, jede Entscheidung, jede Eigeninitiative. Er war so etwas wie ihr Spielzeug. Und sie sprach von seiner Angst vor Frauen. Er hätte Gewaltphantasien gehabt, aber er hätte sie niemals ausgelebt. Und sie könnte das beweisen.«
»Und dann haben Sie an Ihr totes Kind gedacht und sind ausgerastet.«
»Ich wollte sie nicht töten. Ich habe sie nur geohrfeigt. Ich war so empört, so verletzt. Und dann hat sie mich beschimpft. Ich sei brutaler als Brindi es je gewesen sei. Wer hätte denn jetzt einfach drauf geschlagen und zur Gewalt gegriffen? Ich hätte das alles womöglich meiner Tochter selbst angetan und Brindi sei nur mein Sündenbock. Es seien doch meistens die
Weitere Kostenlose Bücher