Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
Trotzdem darf man natürlich keine Möglichkeit ausschließen. Danke für den Kaffee, Frau Hirschwedder . Ich werde mich mal an die Arbeit machen. Je früher, desto besser. Ich lasse Sie wissen, wenn es etwas Neues gibt.«
*
»Wenigstens hat er letzte Nacht nicht zugeschlagen«, Kriminalkommissar Mirko Erlanger ließ sich auf einen freien Stuhl fallen und schlug lässig ein Bein über das andere. Er war knapp dreißig, kam frisch von der Fachhochschule, und ein paar feuerrote Pickel zierten seine glänzende Stirn.
»War ja auch kein Nebel«, ergänzte sein Kollege Daniel Steinmeier. Er war weißblond, genauso jung wie Erlanger, und sein Singsang verriet, dass er irgendwo aus dem Süden Deutschlands stammte.
»Vielleicht ist er ja auch schon durch«, meinte Erlanger. »Ist doch möglich, dass er mit den dreien ’ne Rechnung offen hatte, und jetzt ist alles erledigt.«
»Wäre eigentlich fast ein bisschen schade, oder? Ich hatte noch nie einen echten Serienkiller. Vor allem keinen, der im Nebel Leute aufknüpft. Das ist doch mal was anderes.« Steinmeier räkelte sich grinsend.
Kriminalhauptkommissar Klaus Halverstett warf einen missbilligenden Blick in die Ecke, wo Erlanger und Steinmeier sich niedergelassen hatten. Dann erhob er die Stimme. »Guten Morgen, Kollegen! Nachdem nun alle eingetroffen sind, können wir mit der Besprechung beginnen. Gibt es Neuigkeiten? Mal abgesehen davon, dass heute Nacht niemand aufgeknüpft wurde?« Er fixierte Steinmeier kurz, dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen.
Eine junge Frau mit schulternlangem dunklem Haar meldete sich. »Wir haben angefangen, die Fälle des Kollegen Binder durchzugehen. Sexuelle Nötigung, Vergewaltigungen, alles, womit er sich in den letzten Monaten beschäftigt hat. Wir arbeiten uns chronologisch durch, angefangen bei den Fällen, die noch nicht abgeschlossen sind, und dann immer weiter zurück. Bis jetzt haben wir nichts Auffälliges gefunden. Aber es dauert ewig, bis wir alles gelesen und alle beteiligten Personen befragt haben.«
»Achten Sie vor allem darauf, ob der Name Kassnitz in einem der Fälle auftaucht. Vielleicht als Zeuge oder als Nebenkläger. Es muss da einen Zusammenhang geben. Wer hat denn die Fälle noch bearbeitet? Haben Sie Binders Kollegen schon befragt?«
»Ja, haben wir. Aber beim KK 12 konnte niemand was mit dem Namen Kassnitz anfangen. Bleiben nur die Akten. Sind verdammt viele Fälle. Und wir sind nur zu viert. Vielleicht könnten wir Verstärkung bekommen?«
Halverstett nickte. »Ja. Ich denke, das ist wichtig. Schließlich wurde ein Kollege ermordet.« Zustimmendes Gemurmel. »Und wenn sein Tod etwas mit einem der Fälle zu tun hat, die er bearbeitet hat, dann sind womöglich auch andere Polizeibeamte in Gefahr. Herr Erlanger und Herr Steinmeier, würden Sie bitte Kollegin Wiechert helfen?«
Die beiden blickten Halverstett entgeistert an, ihre Kinnladen klappten synchron nach unten. Akten durcharbeiten war nicht das, was sie sich unter der Jagd nach einem Serienkiller vorstellten. »Aber«, setzte Steinmeier an, »aber wir …«
»Danke, Kollegen. Frau Wiechert wird Sie gleich nach der Besprechung in Ihre Arbeit einweisen. Was haben wir sonst noch?«
»Die Turnschuhabdrücke «, meinte ein älterer Polizist. »Es handelt sich um ein Modell aus dem letzten Jahr. Größe zweiundvierzig. Ich habe schon ein paar Mal versucht, die junge Frau zu erreichen, die gestern Morgen zuerst am Tatort war, aber sie hat sich noch nicht gemeldet.« Halverstett warf Rita Schmitt einen Blick zu, dann sah er den Kollegen an. »Da kümmere ich mich nachher drum. Ich kenne die Frau. Was ist mit den Handschellen? Dem Seil? Den Schals?«
»Die Handschellen sind leider keine große Hilfe.« Petra Maisner , eine resolute junge Frau mit kurzen blonden Haaren, hatte die Stimme erhoben. »Modell M-100 von Smith & Wesson . Das ist der Klassiker der US-Polizei. Kann man nahezu überall kaufen. Im Internet gibt es unzählige Versandhäuser, die Handschellen anbieten. Ich glaube nicht, dass wir da weiterkommen. Mit dem Seil sieht es nicht viel besser aus. Es ist aus dem Baumarkt. Wie wir bisher ermittelt haben, gibt es drei große Ketten, die diese Marke vertreiben. Aber vermutlich auch jede Menge kleinere Läden. Sollen wir versuchen herauszufinden, wo es in letzter Zeit verkauft wurde?«
»Ja. Alle Verkäufe der, sagen wir, letzen vier Wochen. Ich weiß, das ist eine Scheißarbeit, aber vielleicht haben wir ja Glück. Wir
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