Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
erfahrensten Beamten des KK 11. Dabei arbeitete er am liebsten ganz allein, nach seinem eigenen Rhythmus. Aber das ging natürlich nicht, vor allem nicht, wenn man die Arbeit einer so großen Gruppe von Ermittlern koordinieren musste. MK Henker. Er fragte sich, welcher Spaßvogel wohl auf diesen Namen gekommen war.
Das Blöde war, dass sie nicht den geringsten Anhaltspunkt hatten, ob und, wenn ja, wann und wo der Mörder wieder zuschlagen würde. Ihnen fehlte das Motiv. Am Nachmittag hatte er sich mit diesem Mann von der Geschichtswerkstatt unterhalten und sich von ihm sämtliche ehemaligen Richtplätze aufschreiben lassen. Eine gute Handvoll Plätze in ganz Düsseldorf kamen demnach als mögliche Tatorte in Frage. Halverstett hatte angeordnet, in den entsprechenden Gebieten vermehrt Streifen einzusetzen, doch das war im Augenblick alles, was er tun konnte. Wenn der Mörder wirklich vorhatte, weitere Verbrechen zu begehen, würde er sich davon bestimmt nicht abhalten lassen.
Rita Schmitt stand auf und stellte sich neben Halverstett ans Fenster. »Okay, ich werde dich heute nicht mehr mit dämlichen Fragen nerven, ist sowieso Zeit, Schluss zu machen, wir haben morgen einen langen Tag vor uns.« Sie gähnte. »Wenigstens hat der Nebel sich verzogen. Wie ich gehört habe, hat der Flughafen heute Nachmittag wieder seinen normalen Betrieb aufgenommen. Der dichteste Nebel in Düsseldorf seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, haben sie im Radio gesagt. Und es ist noch nicht vorbei. Spätestens morgen Abend soll er wiederkommen. Als hätte unser Killer das Wetter bestellt.« Sie seufzte und sah Halverstett an. »Eins wüsste ich noch gern, bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache: War es nicht voreilig, Hofleitner so schnell wieder laufen zu lassen? Ich bin nicht der Ansicht, dass es so klar ist, dass wir es in beiden Fällen mit dem gleichen Täter zu tun haben.«
»Klar ist gar nichts«, antwortete Halverstett , »aber nach dem zweiten Mord hätten wir keinen Haftrichter dazu gekriegt, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten. Zumal wir absolut nichts gegen Hofleitner in der Hand haben bis auf ein Motiv und ein fehlendes Alibi. Wäre so schön einfach gewesen. Aber wann ist im Leben schon mal was schön einfach?« Halverstett begann, das überschüssige Wasser aus den Kakteentöpfchen vorsichtig wieder zurück in die Kanne zu gießen. Rita sah ihn neugierig an, aber er sprach weiter, ohne ihren Blick zu bemerken. »Außerdem sieht es doch wirklich ganz danach aus, als hätten wir es in beiden Fällen mit demselben Täter zu tun. Findest du nicht? Die Handschellen, der gleiche Knoten, das gleiche Seil …«
»… das man in jedem Baumarkt kaufen kann.«
»… und in beiden Fällen die gleichen Turnschuhabdrücke in der Nähe des Tatorts«, fuhr Halverstett fort, als hätte er ihren Einwand nicht gehört.
»Ja, ein sehr verbreitetes Modell von einer viel getragenen Marke«, konterte Rita. »Aber gut, dass du es erwähnst. Fast hätte ich es vergessen. Wir müssen unbedingt noch Katrin bitten, uns ihre Schuhe vorbeizubringen. Die ist nämlich, wie du ja weißt, an beiden Tatorten herumspaziert. Gestern habe ich nicht darauf geachtet, aber heute Morgen trug sie mit Sicherheit Turnschuhe.«
7
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch begann es zu regnen. Als Katrin vormittags um halb zehn die Stufen zum Eingang des Stadtarchivs hinaufhastete, hatte es immer noch nicht aufgehört. In dem Gebäude waren mehrere Behörden untergebracht, zu denen bis vor einigen Jahren auch das Straßenverkehrsamt gehört hatte. Davon war jedoch nur eine verwaiste Reihe kleiner Ladenlokale zurückgeblieben, die sich auf dem Personalparkplatz drängten und über den verschmutzten, blinden Schaufenstern immer noch die minutenschnelle Prägung von Kennzeichen versprachen. Das ganze Gelände strahlte nicht die beschauliche Würde aus, die Katrin von einem Ort erwartet hätte, an dem alte Dokumente, Karten und Urkunden lagern, sondern eher protzige Hässlichkeit.
Die Frau an der Rezeptionstheke hieß Karentschek . Sie telefonierte gerade. Schweigend schob sie Katrin einen Anmeldebogen hin und reichte ihr einen Kuli. Nach kurzem Zögern schrieb Katrin, dass sie für einen Bildband über Düsseldorf recherchieren wolle, was immerhin nur halb gelogen war.
Frau Karentschek beendete das Telefongespräch. Kritisch studierte sie die Eintragungen. »Zu welchem Thema suchen Sie denn Informationen?«, fragte sie. »Ich muss das schon ein bisschen genauer
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