Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
Spurensicherung. Gerichtsmedizin. Das volle Programm. Und dieser Halverstett will bestimmt auch Bescheid wissen. Der leitet doch die MK Henker. Obwohl ich nicht glaube, dass das hier der Henker war. Es sei denn, er hätte die Methode gewechselt.« Er grinste zynisch und ging zurück zum Streifenwagen, um über Funk die Kollegen anzufordern. »Guck dir das lieber nicht an«, warnte er seinen Partner, bevor er im Auto verschwand.
Doch Wintrop konnte nicht anders. Während Walther mit einem Beamten in der Leitstelle sprach, schlich er auf das Stück Mauer zu. Neugierig spähte er um die Ecke. Als der Lichtkegel das traf, was der Mörder von Carina Lennard übrig gelassen hatte, schrie sein Magen entsetzt auf. Die Taschenlampe in seiner Hand begann zu tanzen. Keuchend wandte er sich ab.
Der Notarzt kam als Erster. Er warf einen kurzen Blick auf die Tote, dann kümmerte er sich um Christoph Wintrop , der immer noch blass wie ein Geist auf der Bordsteinkante kauerte. »Wer tut so was? Wer zum Teufel tut so was«, murmelte er unentwegt vor sich hin. Er hatte eine Freundin, knapp dreißig, langes, blondes Haar. Sie sah Carina Lennard ähnlich, zumindest im Dunkeln.
Viel mehr als das blonde Haar hatte Wintrop sowieso nicht gesehen. Es floss über den Rand eines großen Blumenkübels, der im Hof stand, wand sich zwischen den dürren, blattlosen Zweigen der Pflanzen hindurch, die ihn im Sommer begrünten. Carina Lennards Kopf klemmte im Geäst. Nur ihr Kopf. Ihr Körper lag am anderen Ende des Hofs in dem Durchgang, der zum alten Hafenbecken führte.
*
Hastig tippte Marc Simons auf der Tastatur seines Computers herum und schloss das Fenster mit den Pressemeldungen der Düsseldorfer Polizei, als er hörte, wie sein Bruder ins Zimmer trat. Er hatte gerade noch Zeit, den Zettel mit den Notizen unter die Zeitung zu schieben. Dann stand Benedikt neben ihm.
»So früh schon bei der Arbeit?«
Marc streckte sich demonstrativ. »Ich konnte nicht mehr schlafen. Da habe ich mir gedacht, ich könnte die Zeit auch sinnvoll nutzen. Jetzt muss ich allerdings weg. Was erledigen. Dauert aber nicht lang. Maximal eine Stunde.« Er fuhr den Computer herunter und schaltete ihn aus. »Soll ich Brötchen mitbringen, wenn ich wiederkomme?«
Benedikt ließ sich in den Sessel fallen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und sein Haar hing ihm strähnig in die Stirn. »Nicht für mich. Ich kriege nichts runter. Mir ist kotzübel.«
Marc musterte ihn mit gerunzelter Stirn. »Was ist los? Bist du krank?«
Benedikt schüttelte den Kopf. »Nein. Zumindest nicht so, dass ein Arzt mir helfen könnte.« Er lehnte den Kopf zurück und starrte an die Zimmerdecke. Dann besann er sich. »Wenn ich’s mir recht überlege, sollte ich doch was essen. Vielleicht tut mir ein vernünftiges Frühstück gut.«
»Okay.« Marc schlüpfte in seine Schuhe. Abwartend blieb er im Raum stehen, doch Benedikt rührte sich nicht. »Machst du Kaffee und deckst den Tisch?«, fragte er schließlich.
»Klar.« Benedikt stand langsam auf.
Marc griff nach dem Schlüssel, der auf dem Tisch lag. »Ich nehme noch mal den Wagen, okay? Meiner springt immer noch nicht an.«
»Kein Problem.« Benedikt gähnte und verschwand in der Küche. Marc schnappte sich seine Jacke. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, lief Benedikt zurück ins Wohnzimmer. Vorsichtig hob er die Zeitung an und warf einen Blick auf die Notizen, die sein Bruder darunter hatte verschwinden lassen. Sekundenlang starrte er schweigend auf das beschriebene Blatt. Dann legte er die Zeitung behutsam zurück und ging wieder in die Küche.
*
Katrin stieg ab und schob das Fahrrad über den schmalen Bürgersteig der Citadellstraße. An einer Laterne schloss sie es ab. Vor ihr drängten sich Schaulustige. Gesprächsfetzen drangen an ihr Ohr.
»Das war wieder dieser Henker, da könnte ich wetten.«
»Aber diesmal wurde doch niemand gehängt. Das war bestimmt ein Frauenmörder. Sie soll noch ganz jung gewesen sein. Und sehr attraktiv. Lange blonde Haare.«
»Wer sagt, dass die nicht gehängt wurde? Das erzählen die uns doch nur, damit keine Panik ausbricht.«
»Quatsch! Von wegen damit keine Panik ausbricht! Die Bullen haben keine Ahnung, was dahintersteckt . Die tappen im Dunklen. Aber das wollen sie uns natürlich nicht sagen.«
Katrin schob sich rasch an den Leuten vorbei. Sie schämte sich ein bisschen, dass sie sich kaum anders benahm als die übrigen Gaffer, doch sie redete sich
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