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Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Titel: Katrin Sandmann 04 - Blutsonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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würgte, erbrach Fledermäuse, mehr und mehr, ein stetiger Strom aus schwarzen, flatternden Ungeheuern, und über ihr lachte der Tote, laut und höhnisch.
    Katrin sackte zusammen, stürzte auf den kalten, feuchten Boden. Die Fledermäuse umschwirrten sie. Und immer noch drängten sich unzählige Tiere aus ihrem Mund, suchten schwirrend einen Weg ins Freie.
    Plötzlich hörte Katrin Schritte hinter sich. Sie fuhr herum. Ein Mann stand über ihr, das Gesicht maskiert. In den Händen hielt er einen Strick. Langsam beugte er sich über sie. Da endlich fand Katrin ihre verlorene Stimme wieder. Sie schrie.
    »Wach auf! Wach auf, verdammt!«
    Katrin öffnete die Augen. Manfred hatte das Licht angeschaltet. Er hielt sie bei den Schultern und schüttelte sie. Mit zitternden Fingern tastete Katrin nach ihren Lippen. Keine Fledermaus. Nicht einmal ein winziger Flügel. Erleichtert ließ sie sich in Manfreds Arme sinken.
    »Wieder ein Albtraum?«, fragte er besorgt.
    Katrin nickte stumm.
    »Möchtest du darüber reden?«
    »Morgen vielleicht.«
    Einen Augenblick lang saßen sie schweigend im Bett. Die Traumbilder flatterten noch immer in Katrins Kopf herum. Der Tote mit der blauroten Zunge, die Fledermäuse, der Maskierte mit dem Seil. Nach und nach wurden sie blasser, versanken im bleichen Nebel des Vergessens. Schließlich wand Katrin sich aus Manfreds Armen. »Es geht mir jetzt besser. Schlaf weiter. Ich koche mir einen Tee.«
    »Ich kann dir einen Tee machen, wenn du möchtest.« Er schlug die Bettdecke beiseite.
    Katrin drückte ihn sanft aufs Kissen zurück. »Nein. Schlaf weiter. Ich muss jetzt etwas tun. Mich ein bisschen bewegen.« Sie stand auf und löschte das Licht. Leise schlüpfte sie aus dem Zimmer.
    Sie trank den Tee im Wohnzimmer und studierte dabei die Notizen, die sie sich im Stadtarchiv gemacht hatte. Schicksale von Menschen, abgehandelt mit ein paar kurzen Worten. Sie hatte sich etwas über ein Ehepaar notiert, das 1863 exekutiert worden war, weil es seine drei Kinder ›beseitigt‹ hatte. Was mochte die Eltern zu einem solch grauenvollen Verbrechen veranlasst haben? Oder den Mann, der eine junge Witwe ermordete, um acht Äpfel und siebzig Pfennig zu erbeuten?
    Die Strafen, die Verbrechern in früheren Zeiten gedroht hatten, waren oft viel grausamer gewesen als die Verbrechen, die damit gesühnt werden sollten. Diebe wurden gehängt, Räuber enthauptet und Einbrecher gerädert. Auf Kirchenraub stand Verbrennung bei lebendigem Leib.
    Katrin schüttelte sich. Was für eine Tat mochten die drei Menschen begangen haben, die der Unbekannte am Sonntag und am Montag gerichtet hatte? Handelte es sich um einen persönlichen Rachefeldzug, oder fühlte sich hier jemand veranlasst, Recht zu sprechen, wo die Justiz seiner Ansicht nach versagt hatte?

9
    Um sechs Uhr morgens fand die Besatzung eines Streifenwagens die Leiche. Teilweise zumindest. Christoph Wintrop und Fritz Walther fuhren nicht gern zusammen Streife. Walther war knapp sechzig und redete am liebsten über Fußball, Wintrop hatte nicht das geringste Interesse an der Bundesliga.   Die Sportarten, die er liebte, waren Tauchen und Segeln. Davon verstand Walther wiederum überhaupt nichts. Er hatte mal aus Höflichkeit ein paar Fragen gestellt, doch er konnte Wintrops Begeisterung für Korallenriffe und Seeluft einfach nicht nachvollziehen. So verliefen ihre Fahrten meist recht schweigsam. Hin und wieder stöhnte einer von ihnen über das Wetter oder über die miserable Bezahlung ihrer Arbeit, und der andere nickte zustimmend. Aber ansonsten wusste keiner von beiden, worüber er mit dem anderen reden sollte. Zum dreiunddreißigsten Mal in dieser Nacht rollte der Wagen mit den beiden Beamten langsam durch die Schulstraße. Wintrop saß auf dem Beifahrersitz. Auf der Höhe des Filmmuseums rief er plötzlich: »Halt, da liegt was!«
    Walther setzte ein Stück zurück. »Ist doch nur ’ne Tasche.«
    »Die lag aber eben noch nicht hier«, warf Wintrop ein.
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Dann gucken wir mal nach.« Walther schaltete den Motor aus und schnappte sich die Taschenlampe. Der Eingang zum Filmmuseum lag hinter einem Stück alter Mauer. Es handelte sich um einen Überrest des alten Gefängnisses, das einmal an dieser Stelle gestanden hatte. Genau im Durchgang lag eine weiße Sporttasche. Walther ging vorsichtig näher und lugte hinter die Mauer. »Scheiße! Verfluchte Scheiße!« Er drehte sich zu Wintrop um. »Wir brauchen Verstärkung. Kriminalwache.

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