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Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Titel: Katrin Sandmann 04 - Blutsonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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und förderte einen dicken Schokoriegel zutage. Rasch pulte sie das Papier ab und biss hinein. Schweigend aß sie den Riegel, dann blickte sie Katrin an. »Das musste ja so kommen.«
    »Warum?«
    »Sie war ein Miststück. Hat die Familie in den Dreck gezogen.« Sie stieß die Worte heftig hervor, wie ein trotziges Kind.
    »Das ist schlimm. Was hat sie denn getan?« Katrin suchte nach Annikas Blick, doch die Frau hatte ihren Kopf gesenkt, hatte wieder nur Augen für die gestickten Feen auf der Tischdecke.
    »Dreck erzählt.« Annika fischte einen weiteren Schokoriegel aus der Schale und riss mit fahrigen Fingern das Papier ab. Katrin wurde übel, sie wandte sich ab, musterte das Feenbild an der Wand gegenüber, doch sie lauschte erwartungsvoll. Als Annika fortfuhr, blickte sie widerstrebend zurück in ihre Richtung.
    Annika sprach kauend, eine winzige Spur schokoladegetränkten Speichels rann ihren Mundwinkel hinunter. »Alles kaputt gemacht hat sie und Mama damit ins Grab gebracht.« Sie wischte sich den Mund mit dem Ärmel ihres Jogginganzugs ab. »Sie hat schlimme Dinge über Papa erzählt. Er wäre nachts in ihr Zimmer gekommen, als sie noch klein war, und hätte sie angefasst. Und bei mir hätte er das auch gemacht. So ein Quatsch. Das müsste ich ja wohl wissen!« Die letzten Worte stieß sie zwischen den Zähnen hervor.
    »Sie hat behauptet, ihr Vater hätte sie missbraucht?«
    »Dumme Ziege! Wollte sich wichtig tun. Natürlich hat sie erst den Mund aufgemacht, als Papa längst tot war. Vorher hätte sie das nicht gewagt. Auf keinen Fall. Papa hätte ihr was anderes erzählt!«
    »Und das war alles erfunden?«
    Klar. Carina hat schon als kleines Mädchen immer Lügengeschichten erzählt. Von wegen, sie sei adoptiert worden, und ihre wirklichen Eltern seien sehr reich und würden sie eines Tages holen kommen. War ’ne miese, intrigante Ziege. Wahrscheinlich wurde sie nicht damit fertig, dass ich Papas Liebling war. Ich war halt die Erstgeborene. Mich hat er immer mitgenommen. Zum Angeln. Oder wenn er mit dem Boot unterwegs war.«
    »Das ist alles sehr furchtbar.« Katrin wusste nicht, was sie sagen sollte. Die große, dicke Frau kam ihr vor wie ein eifersüchtiges, bockiges Kind. Nicht das erste, das ihr in den letzten Tagen begegnet war.
    Annika rollte das Papier von dem Schokoriegel zu einer Kugel. »Das ist noch nicht alles. Carina ist mit der Geschichte zu Mama gelaufen. Hat ihr vorgehalten, dass sie ihr nicht geholfen hat. Mama war schockiert. Sie habe doch nichts gewusst. Carina hat sie angeschrien , wie blöd man sein müsse, so was nicht zu merken. Sie hat gebrüllt und gebrüllt, und Mama hat gekreischt und geschluchzt und sich die Ohren zugehalten. Es war furchtbar.« Annika angelte ein weiteres Bonbon aus der Schale. Ihre Finger zitterten. »Ich habe Carina rausgeschmissen, ich hab ihr gesagt, sie soll abhauen und sich nie wieder blicken lassen. Seit dem Tag habe ich sie nicht mehr gesehen. Mama ist knapp zwei Jahre später gestorben. Krebs. Das haben die Ärzte gesagt. Aber ich weiß, dass es der Kummer war, den Carina ihr bereitet hat. Miststück.« Annika sammelte die Papiere ein, die auf dem Tisch lagen. Sie wuchtete ihren gewaltigen Körper aus dem Sofa und verschwand durch die Tür. Kurz darauf kehrte sie schnaufend zurück.
    »Möchten Sie nicht doch etwas?« Sie deutete auf die Schale auf dem Tisch.
    »Nein, danke.«
    Annika ging in die Ecke des Zimmers. Dort stand ein Schaukelstuhl, auf dem mehrere Puppen saßen. Auch sie hatten Flügel. Sie nahm eine davon auf den Arm. Sie war aus abgewetztem Stoff, die Knopfaugen blickten ausdruckslos ins Leere, und die Flügel hingen schlaff von den Schultern. »Gucken Sie mal. Das ist mein Liebling. Ist sie nicht wunderschön? Die hat Papa mir geschenkt.« Sie strahlte.
    »Ja. Sehr schön.« Katrin stand ebenfalls auf. Sie atmete schwer. Etwas saß in ihrem Hals. Sie brauchte dringend Luft. »Ich muss jetzt gehen.«
    Annika nickte und strich der Feenpuppe über das Haar. »Ja, gehen Sie nur. War nett, dass sie mich besucht haben. Sie können gern mal wiederkommen. Aber dann müssen Sie was essen.«
    Sie hielt die Puppe im Arm, während sie Katrin zur Tür brachte.

11
    Die Sonne warf zaghaft ein paar wärmende Strahlen auf die kleine Schar Menschen, die sich um das Grab versammelt hatte. Nacheinander wurden die beiden Särge in das dunkle Loch hinabgelassen , erst Elisabeth Kassnitz , dann ihr Mann.
    Roberta Wickert stand etwas abseits, den kleinen

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