Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
Pionierstraße zehn. So gegen acht?«
Halverstett , der bereits im Begriff war, die Tür aufzuschieben, hielt überrascht inne. »Ich?«
Maren Lahnstein lächelte immer noch. Ihr ebenmäßiges Gesicht leuchtete. »Ja. Sie. Sie sind ein sehr angenehmer Mensch. Ich unterhalte mich gern mit Ihnen. Und ich hätte Lust, einmal ein anderes Thema anzuschneiden. Nicht immer nur Gewalt und Tod. Also, darf ich mit Ihnen rechnen?«
Ehe er richtig wusste, was er tat, nickte Halverstett . »Gut. Wenn Sie darauf bestehen.« Ungelenk schloss er die Tür hinter sich und schlenderte den Gang entlang. Seine Schritte waren mit einem Mal federleicht. Selbst der Gedanke daran, dass Veronika sicherlich wieder sauer sein würde, weil er jetzt auch seine wenige Freizeit mit Menschen verbrachte, mit denen er beruflich zu tun hatte, konnte seiner guten Laune nichts anhaben. Auf dem Weg zum Wagen erwischte er sich dabei, dass er gar nicht mehr an die beiden Toten in dem Obduktionssaal dachte, sondern nur noch darüber nachgrübelte, welche Blumen er Frau Doktor Lahnstein am besten mitbringen sollte.
*
»Na dann, auf gute Zusammenarbeit!« Marc Simons hob sein Sektglas. Seine Augen funkelten, und eine blonde Strähne hing ihm schon wieder tief in die Stirn.
Katrin nippte. Dann blickte sie sich neugierig um. Marc Simons’ Wohnung sah ganz anders aus, als sie erwartet hatte. Die Wände des Wohnzimmers bestanden fast nur aus Bücherregalen, in denen sich Bildbände, Zeitschriften und Ordner eng aneinanderquetschten. Selbst auf dem Esstisch aus dunklem Holz, der unter dem Fenster stand, stapelten sich Bücher. Es waren fast alles Bände über Düsseldorfer Stadtgeschichte, soweit sie erkennen konnte. Die meisten stammten aus der Bücherei. Daneben lagen verschiedene Zeitungen, in denen manche Stellen mit Textmarker angestrichen waren. Marc Simons war ihrem Blick gefolgt. »Mein Bruder. Er hat die Zeitungen auf dem Gewissen.« Er grinste und nahm einen Schluck Sekt. »Er ist gerade auf Jobsuche.«
»Ach, Ihr Bruder wohnt auch hier?«
»Nur vorübergehend. Und bitte, Katrin, sag Marc zu mir. Von heute an werden wir eng zusammenarbeiten, da möchte ich nicht, dass so ein hässliches ›Sie‹ zwischen uns steht.«
Katrin sah ihn an. Als er sie wegen des Buchprojekts kontaktiert hatte, hatte sie sich ein wenig über ihn informiert. Offenbar hatte er bereits eine Menge interessante Dinge auf die Beine gestellt, auch wenn das meiste davon kurzlebig gewesen war. In den achtziger Jahren hatte er mit knapp siebzehn als Sänger einer Band mit dem absurden Namen ›Die aufgescheuchten Gockel‹ einen Hit gelandet. Danach war er in Südamerika herumgereist, hatte einen Roman geschrieben und bei verschiedenen Zeitungen gejobbt. Seine Lebensgeschichte hatte Katrin neugierig gemacht. Die Begegnung mit dem realen Marc Simons war jedoch ziemlich ernüchternd gewesen. Sie war sich nicht sicher, woran sie bei ihm war, doch im Augenblick war es ihr egal. Möglicherweise bildete er sich ein, er könne mit seiner Charmenummer bei ihr landen. Sollte er ruhig. Hauptsache, sie hatte den Job.
»Okay, Marc. Ganz, wie du meinst. Dann lass uns mal anfangen. Du sagtest, du hättest ein paar Ideen.«
Marc deutete zum Tisch. »Ganz wir Ihr befehlt, Madame. An die Arbeit. Setzen wir uns. Ich habe ein paar Sachen aus der Stadtgeschichte rausgesucht, die ich ziemlich bemerkenswert finde.«
Sie setzten sich. Marc schob die Zeitungen zusammen und deponierte sie auf einem leeren Stuhl. Unter einer Ausgabe des Morgenkuriers tauchte ein Schlüsselbund auf, an dessen Ring ein kleines Gummischwein baumelte. Katrin grinste. »Sehr geschmackvoll.«
Marc drückte den Schweinekörper zusammen, und das Tier gab einen jämmerlichen Quietschton von sich. »Hübsch, nicht?«
Katrin verzog das Gesicht.
»Also, wenn es dir nicht gefällt, kann ich dich beruhigen: Das ist nicht mein Schlüssel.«
»Von deinem Bruder?« Katrin zog die Augenbrauen hoch. »Schon praktisch, wenn man mit jemandem zusammenlebt, dem man alle Peinlichkeiten in die Schuhe schieben kann.«
Marc lachte laut auf. »Da hast du recht. In diesem Fall habe ich aber einen anderen Schuldigen. Genauer gesagt zwei. Nämlich meine Nachbarn. Gisela und Karl-Heinz Schubert. Die sind im Augenblick bei Verwandten in München. Wenn sie verreisen, lassen sie mir immer die Schlüssel da, falls jemand dringend in die Wohnung muss. Warum der hier auf dem Tisch rumliegt , weiß ich allerdings auch nicht. Normalerweise
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