KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
nicht eben versaut. Andererseits: Wir hätten zum Rauchen vor die Tür gehen müssen wie zwei schlecht erzogene Lausebengel. Und das wäre dann auch wieder nicht angemessen gewesen, irgendwie.
Jüjü prostete mir zu, nahm einen kräftigen Schluck und stellte dann den Cognacschwenker zurück auf den Tisch.
»Sie wissen schon, dass diese Unterschrift mich so gut wie ruiniert?«, sagte er.
»Bei allem Respekt, Herr Dr. Lappé, aber das halte ich doch für reichlich übertrieben. Ich meine: Sie haben sich eine sehr gut gehende Klinik aufgebaut, die im Laufe der Jahre ein Vermögen eingebracht haben dürfte. Also, selbst wenn Ihre Frau den geforderten Anteil aus dem Verkauf kassiert, dürfte doch noch mehr als genug für Sie übrig bleiben.«
Jüjü schaute mich so eindringlich an, dass ich schon befürchtete, er hätte sich spontan in mich verliebt. Wäre aber andererseits eine sehr kurze Liebe gewesen, denn in der nächsten Sekunde schwappte in seinen Augen die blanke, eiskalte Wut. Und dann, unerwartet und unvermittelt, lachte er plötzlich auf.
»Sollte man meinen, was? Das Problem ist nur: Es ist fast alles weg. Verstehen Sie? Weg!« Er nahm noch einen kräftigen Schluck vom Cognac, bevor er fortfuhr: »Jahrzehntelang habe ich geschuftet wie ein Verrückter, Tag und Nacht, an Feiertagen und Wochenenden. Und mir gegen alle Widerstände Stück für Stück etwas aufgebaut, um irgendwann später ein sorgenfreies Leben genießen zu können, ohne Stress und Verpflichtungen, ohne Vierzehnstundentage am OP-Tisch. Und dann ist plötzlich fast alles weg, einfach weg! Ich glaube nicht, dass Sie sich auch nur annähernd vorstellen können, was das für einen bedeutet, Herr Katz!«
Jetzt nahm ich erst mal einen kräftigen Schluck. Zum einen, weil mir einfach danach war, zum anderen, weil ich in diesem Moment genau den passenden Ton treffen musste, um Lappé zum Weitererzählen zu animieren.
»Wie konnte das passieren?«, fragte ich und versuchte, meiner Stimme genau den richtigen Klang zwischen aufrichtigem Interesse, ernsthafter Verwunderung und ehrlicher Anteilnahme zu geben. Funktionierte auch.
»Wenn Sie so viel um die Ohren haben wie ich in den letzten Jahren«, antwortete er, jetzt zutraulich wie ein frisch geborenes Lämmchen, »dann haben Sie einfach keine Zeit und keinen Nerv, sich auch noch detailliert mit solchen Themen wie Geldanlagen zu beschäftigen. Deshalb habe ich mich, wie viele andere auch, auf Spezialisten verlassen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: auf sogenannte Spezialisten. Haben alles an der Börse verzockt, diese Schmalspur-Experten, und zwar keinen Deut anders als jeder dahergelaufene Hobby-Spekulant. Millionen, einfach verspielt! Und wurden sie dafür am Ende wenigstens zur Rechenschaft gezogen? Aber nein, ganz im Gegenteil: Die Kerle wurden sogar noch mit Steuergeldern belohnt. Und verweigern mir gleichzeitig die dringend benötigten Kredite! Können Sie mir vielleicht erklären, wie so etwas möglich ist?«
»Wahrscheinlich genau deshalb, nehme ich an: Weil die Burschen eben Spezialisten sind.«
Lappé lachte wieder auf. Und sein Lachen klang diesmal nicht wütend, sondern nur noch bitter.
»Das wird’s sein! Aber ich habe nach alledem die Schnauze voll, restlos voll. Ich will und kann mein Leben nicht schon wieder in irgendeine Zukunft vertagen. Ich will jetzt leben! Ich will Sonne, Freizeit, Freiheit. Zum Beispiel mal mit einer Jacht auf dem Meer herumgondeln, davon träume ich schon lange. Dabei vielleicht ein bisschen Hochseefischen, in aller Ruhe, Zeit nur für mich ganz alleine. Oder Golf spielen, so oft und soviel ich mag. Oder einfach nur für eine Weile faul auf einem Liegestuhl am Strand liegen und Löcher in die Luft gucken. Was weiß ich? Aber das Wichtigste dabei: das alles mit einer Frau an meiner Seite, die mich wirklich liebt.«
»Es geht mich zwar nichts an, aber ich hatte bisher eigentlich den Eindruck, dass Ihre Frau ...«
Lappé winkte ab.
»Es geht Sie zwar wirklich nichts an, aber egal. Standen Sie schon einmal an einem Scheidepunkt in Ihrem Leben, an dem Sie wussten, dass Sie sich nichts mehr vormachen dürfen? Meine missratene Ehe mit Maria ist solch ein Scheidepunkt. Wir haben uns beide ganz einfach vertan, Maria und ich. Kommt vor. Traurig, aber kommt eben vor. Und ist weder Marias Schuld noch meine. Aber wie auch immer: Von jetzt an ist Schluss damit, jetzt will ich mein eigenes Leben leben, und zwar ein ganz anderes als bisher ...« Lappé lachte
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