Katzen jagen nachts
allerdings nicht, daß es außer Tee auch noch was zu essen gibt. Um so besser. Am liebsten mag ich Marmorkuchen, Bertha.«
Bertha warf ihm einen giftigen Blick zu.
»Paßt nur auf, daß euer Wasser sich nicht zu Tode kocht«, sagte Sellers.
»Wo ist der Tee, Elsie?« fragte Bertha.
»Ach, du liebe Güte, Mrs. Cool, ich glaube, wir haben den Rest gestern aufgebraucht. Ich hab’ glatt vergessen, eine neue Packung mitzubringen!«
»Muß man dir denn alles dreimal sagen?« fuhr Bertha sie an. »In letzter Zeit scheinst du ein Gedächtnis wie ein Sieb zu haben. Ich weiß genau, daß ich dir gestern nachmittag gesagt habe, du sollst Tee besorgen.«
»Tut mir leid«, sagte Elsie zerknirscht. »Es soll nicht wieder vorkommen.«
Sellers setzte sich grinsend. »Na, holt nur schon immer die Tassen heraus«, sagte er. »Vielleicht kann ich dann den Tee dazu organisieren.«
»So? Sie tragen wohl immer einen Vorrat mit sich herum, was?«
»Ich kriege schon welchen«, versprach Sellers. »Die Tassen, Elsie.«
Elsie warf Bertha einen Blick zu.
»Ich hab’s mir überlegt«, sagte diese. »Mir ist die Lust auf Tee vergangen. Wenn man sich ständig über das Personal ärgern muß...«
»Okay, okay«, unterbrach Sellers. »Jetzt interessieren mich aber doch die Tassen von Cool & Lam. Zeigen Sie mal her, Bertha...«
»Tut mir leid. Die Teepause ist abgeblasen. Kommen Sie, Mr. Belder, wir wollen die Besprechung zu Ende führen, in der wir unterbrochen worden sind.«
»Lassen Sie sich von mir nicht stören«, bemerkte Sellers.
»Meine Klienten ziehen es, so seltsam das klingen mag, vor, mit mir unter vier Augen zu verhandeln. In der guten alten Zeit soll es mal so was wie Rechte zum Schutze des amerikanischen Bürgers gegeben haben.«
»Mir scheint, Bertha, Sie haben — wenn ich mal so sagen darf — gar keine Tassen im Schrank! Mrs. Goldring hat mir erzählt, daß ihre Tochter wieder einen Brief bekommen hat. Ich hab’ mir schon gedacht, daß ich Sie hier antreffen würde, Belder. Wenn Sie den Brief zufällig bei sich haben, nehme ich ihn am besten gleich mit. Unter Umständen enthält er den einen oder anderen interessanten Fingerzeig.«
»So? Sie nehmen ihn mit?« fuhr Bertha hoch. »Vielleicht haben Sie vergessen, daß es auch heutzutage noch Gesetze gibt, die einer unverschämten Polizei gewisse Übergriffe verbieten. Wenn der Brief an Mrs. Belder adressiert ist, können Sie nicht...«
»Regen Sie sich nicht künstlich auf, Bertha, das bekommt Ihrem Blutdruck nicht. Ich an Ihrer Stelle würde die Gesetze aus dem Spiel lassen. Darf ich fragen, was Sie gerade vorhatten?«
»Eine Tasse Tee aufbrühen«, erklärte Bertha mit Nachdruck. »Das ist doch wohl nicht verboten!«
»Man kann nie wissen«, sagte Sellers. »Es gibt eine städtische Verordnung, die die regelmäßige Abgabe von Mahlzeiten oder Erfrischungen in bestimmten Stadtvierteln...«
»Ich kann ja wohl einem Klienten eine Tasse Tee anbieten, ohne gleich einen Gewerbeschein für eine Imbißstube beantragen zu müssen.«
»Regelmäßige Abgabe ist ein dehnbarer Begriff.« Sellers ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wenn Elsie jeden Tag hier Tee aufbrüht...«
Gegen Berthas zornsprühende Blicke schien der Sergeant immun zu sein.
»Wenn Sie die Absicht haben, Ihren anonymen Brief aufzudampfen«, wandte er sich an Belder, »mache ich gern mit.«
»Das ist doch eine Unverschämtheit«, zeterte Bertha. »Sie dringen in mein Büro ein...«
»Schreien Sie mich nicht so an, Bertha! Ihr Büro steht normalerweise allen offen — auch mir. Ich komme gerade von Mrs. Goldring. Sie zerbricht sich natürlich den Kopf über das Verschwinden ihrer Tochter und versucht, eine Lösung dafür zu finden. Dabei fielen ihr die beiden Briefe mit dem Vermerk >Persönlich und vertraulich< ein, die in der Eingangspost gewesen waren. Sie schlug mir vor, die beiden Briefe herauszusuchen. Gesagt, getan. Aber siehe da: wir fanden nur einen.
Ich war nicht so unverschämt, Mrs. Belders Post zu öffnen, aber ich beschloß, den geheimnisvollen Brief zu durchleuchten. Was stellte sich heraus? Er enthielt das Reklameschreiben eines Pelzhauses. Jetzt interessierte mich der Umschlag. Tatsächlich — er war geöffnet und wieder zugeklebt worden. Mrs. Goldring war einigermaßen außer sich, weil sie den zweiten Brief mit dem Vermerk >Persönlich und vertraulich< nicht fand. Na, ich konnte mir schon denken, wo er steckte. Und wo der Brief war, da konnte Everett Belder nicht weit
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