Katzen jagen nachts
gehört habe, scheint ihr Göttergatte in ihr weniger die Ehefrau als einen wandelnden Geldschrank gesehen zu haben. Ich möchte annehmen, daß sie fort wollte aus dieser Ehe — aber nach Möglichkeit mit dem Geld. Das kann man ihr nicht verdenken. Ihr Mann erfreut sich bester Gesundheit — er konnte sich also nach der Trennung von ihr gefälligst selbst ernähren. Wenn sie aber nicht sofort einen reichen Ehemann Nummer zwei kaperte, sah sie sich der leidigen Situation aller Geschiedenen gegenüber: Männer, die sich mit ihr amüsieren wollen, aber gar nicht an Heirat denken, ein Vermögen, das jeden Tag ein bißchen mehr abbröckelt, ein Gesicht, das jeden Tag ein bißchen älter wird...«
»Gott, wie rührend«, unterbrach Bertha sarkastisch. »Soll ich weinen?«
»Nein. Aber nachdenken.«
»Wieso?«
»Glauben Sie wirklich, die Mutter hatte die Hand im Spiel?«
»Am Dienstagnachmittag hat sie mit ihrer Mutter in San Franzisko telefoniert. Gegen halb sieben hat ihr dann ihre Mutter die Ankunftszeit telegrafiert und um Abholung gebeten.«
»Worüber haben die beiden am Telefon gesprochen?«
»Mrs. Goldring wollte erst nicht recht mit der Sprache heraus. Schließlich habe ich sie aber doch festgenagelt. Mabel hat ihr von einem anonymen Brief erzählt, in dem ihr Mann beschuldigt wird, eine Affäre mit dem Dienstmädchen zu haben. Mrs. Goldring gab ihr den Rat, Everett zu verlassen. Mabel war nicht für so radikale Maßnahmen. Sie hielt eine gütliche Einigung für besser. Das ärgerte Mrs. Goldring. Sie redeten noch eine Weile hin und her, dann beschloß Schwiegermama, die Sache persönlich in die Hand zu nehmen. Sie wollte es zum Krach kommen lassen.«
»Hat Mabel das Telegramm bekommen?«
»Ja. Carlotta war dabei, als es telefonisch durchgegeben wurde. Mrs. Belder ließ es sich noch einmal wiederholen, um sich die Ankunft des Zuges genau zu notieren. Dann sagte sie Carlotta Bescheid, und sie beschlossen, beide zum Bahnhof zu fahren. Everett hatte keine Ahnung von dem Gewitter, das sich über seinem Kopf zusammenbraute. Seine Frau bat ihn an jenem Abend lediglich, den Wagen auftanken, die Reifen prüfen zu lassen und ihn ihr spätestens um elf Uhr vors Haus zu stellen.«
»Augenblick mal«, sagte Bertha. »Sie ist am Mittwochmorgen erst um elf Uhr zweiundzwanzig aus dem Haus gegangen. War nicht der Zug vorher fällig?«
»Die planmäßige Ankunftszeit war elf Uhr fünfzehn. Aber der Zug hatte viel Verspätung.«
»Wie kam es, daß Carlotta und Mrs. Belder nicht zusammen zum Bahnhof fuhren?«
»Carlotta hatte noch in der Stadt zu tun. Da Mrs. Belder morgens gern lange schläft, verabredete sie, sich mit Carlotta am Bahnhof zu treffen. Wir können annehmen, daß Mrs. Belder sich telefonisch erkundigte, ob der Zug pünktlich kommen würde. Der Haken ist nun, daß es zunächst hieß, der Zug würde pünktlich eintreffen. Erst später wurde angesagt, daß er erst um zwölf Uhr fünfzehn kommen würde. Wenn Mrs. Belder das Haus erst um elf Uhr zweiundzwanzig verlassen hat, muß sie schon erfahren haben, daß der Zug Verspätung haben würde. Tatsächlich kam der Zug dann erst gegen eins. Carlotta verließ gegen neun das Haus, machte in der Stadt ein paar Einkäufe, kam gegen elf zum Bahnhof und hörte, daß der Zug um zwölf Uhr fünfzehn kommen würde. Sie rief dann bei Belders an, wo sich niemand meldete. Nach unserer Theorie mußte aber um diese Zeit Mrs. Belder am Telefon sitzen und auf den Anruf der anonymen Briefschreiberin warten. Im Haus war sie — dafür haben wir Ihre Aussage. Wieso hat sie sich nicht gemeldet, als Carlotta anrief?«
»Weil sie in diesem Augenblick dabei war, Sally Brentner zu ermorden.«
Sellers nickte. »Genau.«
»Was tat Carlotta dann?« wollte Bertha wissen.
»Sie schloß, daß Mabel schon auf dem Weg zum Bahnhof war, blieb also, wo sie war, und wartete auf die liebe Mabel. Der Zug rollte erst um eins ein. Mabel tauchte nicht auf und hat offenbar auch nicht versucht, sich mit Carlotta in Verbindung zu setzen. So — nun sagen Sie was dazu.«
»Dazu läßt sich nicht viel sagen«, meinte Bertha. »Ich kann’s mir nur so erklären, daß der Mord um elf Uhr dort im Haus begangen worden ist.«
»Hm — muß wohl so sein«, bestätigte Sellers unzufrieden. »Mrs. Belder erfährt auf telefonische Rückfrage hin, daß der Zug erst um zwölf Uhr fünfzehn kommt. Sie wartet sehnlichst auf den Anruf ihrer anonymen Brieffreundin. Trotzdem geht sie nicht ans Telefon, als es um elf
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